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6 Mythen um Marketing Automation

Schritte und Tipps zum Einstieg in das Thema Marketing Automation: Wie die Implementierung Unternehmen und potenziellen Kunden einen Nutzen bringt.
Georg Blum | 06.07.2020
Marketing und Marketing Automation © Freepik / panya8510
 

Zuerst eine mögliche Definition: Was ist Marketing Automation?

Die Definition von Wikipedia ist sicher nicht falsch, aber meiner Meinung nach auch nicht komplett richtig. Marketing Automation geht mittlerweile weit über das Thema Leads und Lead-Management hinaus. Marketing Automation ist ein Teil des Customer Relationship Managements (CRM). Daher wäre mir die Definition und Information von Wikipedia zu kurz gesprungen.

Auch die Eingrenzung auf E-Mail-Marketing ist viel zu eng gefasst. Denn gerade in Kombination mit Call-Center oder Print-Werbung (personalisierte Postkarten oder Prospekte, handgeschriebene Briefe), Einbindung von Webshop-Transaktionen oder mobilen Apps erzeugt Marketing Automation erst seine optimale Wirkung.

Tools für Marketing Automation helfen in erster Linie bei der Kampagnen-Erstellung und Kampagnen-Durchführung. Die guten Tools unterstützen zusätzlich bei internen und externen Workflows als auch die Antwort bzw. Reaktion des Empfängers vollumfänglich oder teilweise zu automatisieren. Und dies nicht nur in der Abteilung Marketing, sondern eben im Vertrieb oder E-Commerce. Marketing Automation erleichtert z.B. genauso die Arbeit in HR- und PR-Abteilungen. Es geht schlicht um die Erledigung von wiederkehrenden Aufgaben bzw. Prozesse. Und diese sollten sowohl dem Unternehmen als für den (potenziellen) Kunden einen Nutzen bringen.

Vor dem Start: Ziele setzen

Wer sich dem Thema Marketing Automation widmet sollte sich Ziele setzen: Was genau will man erreichen? Daraus leiten sich dann Anforderungen an die Einbindung dieser Software in die IT-Landschaft und die Funktionalitäten einer Marketing Automation-Software ab.

Welche Marketing Automation Software Anbieter im deutschsprachigen Raum gibt es? Hier der Link zu unserer Übersicht, dem Anbietervergleich bzw. der Landscape.

Mythos 1: Marketing Automation ist nur etwas für die Marketing-Abteilung

Achtung: Dies könnte eine gezielte Falsch-Information gewesen sein.

In der BWL-Theorie gehört der Vertrieb zwar zum Marketing Mix, ist also ein Bestandteil des Marketings. In der Praxis sind sich Marketing und Vertrieb oft spinnefeind und organisatorisch sauber getrennt. Dennoch könnte man sich ein Marketing Automation Tool gemeinsam anschaffen, weil das eine oder andere Tool alle möglichen Workflows unterstützt. Dazu gehören Vertriebs- und Marketing-Kampagnen. Aber auch der Service könnte davon profitieren. Marketing-Automatisierung kann also viel mehr. So wie oben schon geschrieben, könnten HR- und PR-Abteilungen genauso profitieren.

Lead-Nurturing ist ein Beispiel, Nachfass nach Service-Anfragen ein zweites. Trigger-Mails auf noch im Warenkorb oder Merkzettel befindliche Produkte, ein drittes Beispiel.

Die Onboarding-Kommunikation der HR-Abteilung sowie die gezielte Aussendung an die PR-Verteiler sind weitere Beispiele aus der Praxis.

Mythos 2: Eine Marketing Automation Software löst viele meiner Probleme automatisch

Die spontane Gegenrede bringt ein alter Spruch zu Tage: A Fool with a Tool remains a Fool. Oder wie ein Vodafone Manager sinngemäß mal so schön gesagt hat: Einen scheiß Prozess zu digitalisieren (hier: automatisieren), ist eine Möglichkeit. Es bleibt aber dann immer noch ein scheiß Prozess. Zwar digital, aber eben ohne notwendige bzw. sinnvolle Optimierung.

Sicher helfen Software und Tools einer Person bzw. einem Team bestimmte wiederkehrende Aufgaben abzunehmen. Aber dennoch darf man nicht glauben, das Tool macht das schon für einen. Es braucht einen Menschen, der wie bei künstlicher Intelligenz (KI)-Themen, sich eingehend mit den Möglichkeiten beschäftigt.

Zuallererst braucht es ein Ziel, was will man automatisieren? Dann braucht es ein Ziel: Was sollte der Effekt sein? Wie viel Einsparung oder Mehrumsatz will man erreichen? Wie soll der automatisierte Prozess aussehen? Was muss ich vom alten Prozess an Zöpfen abschneiden und evtl. neu flechten? Und last, but not least: Was hat der Kunde davon? War die Aktion erfolgreich? Was lernt man daraus? Immer dem klassischen Learning Loop-Methode folgend.

Mythos 3: Viel hilft viel!

Marketing Automation Tools verleiten zu einer massenhaften Versendung von Botschaften. Meistens sind es E-Mails, aber Serienbriefe werden auch „en masse“ gerne versendet. Es wird einem ja abgenommen. Das verleitet eben zu dem "Massen-Phänomen" das oft "Viel hilft viel" genannt wird.

Es gibt Studien, eine davon hat mal Peppers&Rogers veröffentlicht, besagt: Wer zu viel, also über ein sinnvolles Maß kommuniziert, der zerstört den Kundenwert. D.h. zum einen verschwendet man gewaltige Marketing- und Vertriebs-Ressourcen, zum anderen wendet sich der Kunde ab und bestellt lieber bei der Konkurrenz. Nur wer weiß, dass zu häufige Kommunikation beim Empfänger auf Ablehnung stößt, übertreibt die vorhandenen Möglichkeiten nicht - egal, ob beim Kunden oder Interessent.

Wir haben das mal bei einem Multi-Channel-Retailer (Spezial-Versender) geprüft. Es gibt Kunden, die mögen max. 2-3 Anstöße pro Jahr, eine zweite Zielgruppe ist für ca. 8-9 Anstöße pro Jahr. Die besten Kunden darf man sogar bis zu 30 Mal pro Jahr anstupsen.

Mythos 4: Alles läuft automatisch

Das trifft (meistens) dann zu, so lange man seine eigenen Prozesse steuert. Sobald aber der Kunde ins Spiel kommt, ist es mit der Automatisierung oft nicht mehr so einfach.

Anders formuliert. Die Kampagnen bis zum Kunden-Postfach sind meist perfekt ausgedacht und automatisiert. Zeigt der Kunde eine Reaktion, stellt er eine Nachfrage, dann ist meist Ende mit Automatisierung. Das ist im Grundsatz nicht schlimm. Nur sollte man davon nicht überrascht sein.

Eines meiner Lieblingsbeispiele stammt aus einem meiner MarTech-Conference-Besuche in Boston. Ein Redner stellte eine Studie vor, die besagte: 60 % of a Google-Search ends in one simple Call. Der Kunde sucht online nach einem Thema oder Produkt. Und kurz bevor er auf dem Webshop bestellen könnte, ruft er doch lieber an. Ist er unsicher? Ist die Usability des Webshops nicht ansprechend? Braucht er Beratung? Auf jeden Fall, so die Studie, sind darauf sehr viele Unternehmen nicht vorbereitet. D.h. Umsatzchance vertan!

Das bedeutet, nicht nur die Automatisierung vom Unternehmen zum Kunden denken, sondern genauso wieder zurück. Und das führt uns zu Mythos 5.

Mythos 5: Highlanderin - Es kann nur eine geben

Wie im richtigen Leben gibt es bei der Customer Journey-Betrachtung nicht nur eine Customer Journey. Sondern es gibt einige Varianten. Nicht alle Möglichkeiten werden von Kunden durchlaufen.

Selbst ein und derselbe Kunde wechselt gerne „seinen“ Weg. Weil er je nach Lust, nach Komplexität des Angebots oder Beratungsbedarf, den für ihn besten Weg auf der Customer Journey nimmt.

Das bedeutet, dass Unternehmen sich am besten mit einem einfachen Prozess zur Marketing Automation auf den Weg zur Automatisierung machen sollten. Und über "Versuch und Irrtum", Tests und Experimente schafft ein Unternehmen immer mehr Verzweigungen und Verästelungen oder neue Prozesse, die dem Unternehmen oder dem Kunden - am besten beiden - das Leben leichter machen. Das gilt vor allem für den Response-Kanal. Man darf dem Kunden nicht zwingen etwas zu tun, nur, weil das Unternehmen Vorteile hat. Der Kunde muss dafür seinen Mehrwert auch erkennen. Eines ist sicher: Gerade effizientes Handling von Interessenten-/Kundenreaktionen ist ein riesiges Sparpotenzial.

Mythos 6: Marketing Automation ist nur etwas intelligenteres E-Mail-Marketing

Das Gerücht, dass Marketing Automation durch Anbieter von Software für E-Mail-Marketing ausgelöst wurde hält sich hartnäckig. Das ist aber nur bedingt der Fall. Es gab schon vorher das eine oder andere Tool, welches das Kommunikationskonzert über mehrere Kanäle gesteuert hat.

Es stimmt aber auch, dass die E-Mail-Marketing-Anbieter das Thema in den letzten Jahren extrem gepusht haben.

Aktuell reden viele in Agenturen und Unternehmen über Multi-Channel-Kommunikation. Und daher sollte Marketing-Automation eben nicht nur E-Mail-Marketing umfassen. Der Vertrieb, das klassische Marketing, das Call-Center, der Kunden-Service, der Technische Service, HR und PR profitieren von der Unterstützung durch Marketing Automation-Tools. Vor allem im Konzert der Kanäle: Wann leistet welcher Kanal den besten Beitrag?

Schritte und Tipps zum Einstieg in das Thema Marketing Automation

Schritt 1 z.B. Versenden von Glückwünschen zum Geburtstag, Namenstag, Jahrestag der 1. Bestellung, Danke für die letzte Bestellung, Danke und Begrüßung für die erste Bestellung.

Schritt 2 könnte das dann eine Verkettung von z.B. 4 Anstößen sein:

1. Eine Begrüßungs-E-Mail nach Opt-in-Bestätigung,

2. Personalisierte Dankes-Postkarte

3. Eine Themen- und Interessensabfragen per Mail oder per Telefon sowie

4. Je nach Thema eine E-Mail mit einem White Paper zum entsprechenden Thema

Schritt 3 startet dann je nach Lead- und Interessentenstatus sowie den Themen-Interessen eine Kampagne zur Entwicklung des Kunden für die 2. und 3. Bestellung.

Alternativ könnte die Einführung eines Scorewerts aus der Kampagne in Schritt 2 sein. Jede Aktion bzw. unterblieben Reaktion führt zu Plus- oder Minuspunkten. Daraus entsteht ein stets aktueller Scorewert. Übersteigt der Scorewert einen Schwellenwert, bekommt der Inside Sales oder Außendienst-Mitarbeiter den Lead als „Hot Lead“ zugespielt. Andernfalls bleibt er in der Bearbeitung durch Marketing Automation.

Eine weitere Alternative im B2B wäre nach einem Kauf ein erstes Service-Angebot kombiniert mit einem Kuschel-Call, der eine Qualifizierung von Themen bzw. Interessen zum Ziel hat.

Kurzes Fazit

Im Prinzip sind den Ideen kaum Grenzen gesetzt. Deshalb: Viel Spaß und Erfolg bei der (Marketing) Automatisierung!

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Georg Blum ist Geschäftsführer der Unternehmensberatung 1A Relations GmbH. Er ist Experte für CRM und Multi-Channel-Dialogmarketing.