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Wie Kalkhoff die User aufs E-Bike lockte

Lokales Event-Marketing - ortsabhängig ausgespielte, mobile Werbemittel, um Menschen zum Tag der Offenen Tür zu lotsen.
Frank Puscher | 21.05.2021
Die Kunst von Location based Advertising liegt darin, den richtigen Radius um den Zielort zu treffen, so dass die Kampagne aktivierend wirken kann © Frank Puscher
 

Der Fahrrad-Hersteller Kalkhoff nutzte ortsabhängig ausgespielte, mobile Werbemittel, um Menschen zum Tag der Offenen Tür zu lotsen. Die clever konzipierte Kampagne zeigt, wie auch der Einsatz unterschiedlicher Werbemittel zu mehr Resonanz führt. Und zu mehr Kundenverkehr.

Eigentlich hört sich die idealtypische Vorstellung von location-based Advertising simpel an.  Man definiert eine oder mehrere Zielgruppen, die den eigenen Laden in den nächsten Wochen besuchen soll. Dazu bastelt man eine Handvoll Banner oder vielleicht sogar Videos. Dann übergibt man das alles einer Software und die sorgt vollautomatisch dafür, dass die Banner immer dann auf den Smartphones der Zielgruppe landen, wenn die sich in der Nähe des jeweiligen Ladens aufhält.

Und genau so hat es Carsten Riemann-Kafsack gemacht. Mit seiner Agentur Masterplan setzte er eine solche Kampagne für den in Cloppenburg ansässigen Fahrradhersteller Kalkhoff um. „Am Ende zählt der Impact der gesamten Customer Journey und das Zusammenspiel aller eingesetzten Medien und Kanäle“ so zieht er nüchtern Bilanz. Riemann-Kafsack würde auch Plakate kleben, wenn es sich lohnt oder Printanzeigen schalten. Media-Kanäle sind für ihn keine Objekte der Leidenschaft, aber Werkzeuge, die es zielgerichtet einzusetzen gilt.

Die Wahrnehmung der Marke Kalkhoff

Kalkhoff ist eine Traditionsmarke mit tadellosem Ruf. Was aber viele nicht wissen: Kalkhoff ist einer der ganz großen Player im Trendmarkt E-Bike. 100 000 E-Bikes stellen die Cloppenburger jedes Jahr her. Nicht alle werden unter der Marke Kalkhoff vertrieben. Ein Teil wird mit britischem Design unter der Marke Raleigh veredelt.

Die Diskrepanz zwischen Außenwarnung und tatsächlicher Marktbedeutung, wollte das Marketing von Kalkhoff ändern. Und welches Jahr könnte sich besser dafür eignen, als das des 100sten Firmenjubiläums. Die Niedersachsen engagierten Anfang 2019 Masterplan, um bei den anstehenden „Testivals“ für richtig Stimmung an den verschiedenen Locations zu sorgen.

Die Markenbekanntheit allein hätte man mit einem TV-Spot anheben können, doch das erschien nicht vollständig zielführend. Die Menschen sollten aktiviert werden, die Marke physisch an einem der 30 ausgewählten Standorte zu erleben. Und was heißt überhaupt „die Marke“. Die Spannbreite der Zielgruppen reichte von Senioren bis zum stylischen Großstadt-Hipster. Jeder sieht etwas anderes im Thema E-Bike und folglich in der Marke Kalkhoff.

Eine der Kernfragen zu Kampagnenstart war: Wie groß zieht man den Radius um eine Filiale, um einerseits genügend Menschen zu erreichen und andererseits nicht zu weit auszuspielen, weil dann ein spontaner Besuch unwahrscheinlich wäre und der Werbemittelkontakt vergeblich. „Eine der großen Herausforderungen war die Dichte der Besiedlung in den einzelnen Landkreisen und Städten“, erläutert Carsten Riemann Kafsack.

Am Ende kam ein Mediaplan heraus, der sehr unterschiedlich große Radien um jeden einzelnen Testival-Standort zog. 20 Kilometer, so sollte sich später zeigen, war der Radius des Einzugsgebiets bei den allermeisten Besuchern. Im Durchschnitt reisten die Besucher knapp 10 Kilometer an. Daraus wird auch deutlich, dass nur ein Teil der Besucher zu Fuß unterwegs waren oder auf dem Rad saßen, als sie die frohe Botschaft vom Testival empfingen. Ein Gutteil kam auch per Auto und das ist typisch für ländliche Regionen. Hier sind größere Radien zu ziehen, als in der Stadt.

Menschen, die „zu nah“ am Testival waren, wurden nicht mit weiteren Einladungen behelligt. „Live“ hieß die Zielgruppe, die vor Ort gesichtet wurde, und hier wurden andere Werbemittel ausgespielt, die sich konkreter mit dem Testival-Erlebnis befassten.

Location-Daten kommen zum Beispiel aus Wetter-Apps

Das Ökoystem des Programmatic Advertising greift zeitgleich auf die Werbeflächen sehr vieler so genannter Publisher zu. Publisher ist jeder, der etwas anzubieten hat, was immer wieder Kontakt zu den Nutzern der Smartphones herstellt. Ebay ist genauso ein Publisher, wie die Onlineversion der Bildzeitung. In einer WetterApp ist die Schaltung genauso möglich, wie auf Google Maps.

Wer seine Werbung an ein Netzwerk von Publishern ausliefert, hat eine deutlich höhere „Trefferwahrscheinlichkeit“, als wenn man sich nur auf einzelne große Publisher verlassen würde. Google und Facebook bilden hier eine Ausnahme. Sie können nicht über die gleichen Systeme angesteuert werden, sondern haben eigene Lösungen dafür. Und sie haben für sich genommen so große Reichweiten, dass viele Werbungtreibende sich dazu entscheiden, nur dort zu buchen.

Für die Kalkhoff-Kampagne waren personenbezogene Daten nicht relevant. Es ging um klassische demographische Parameter wie Alter, Geschlecht und Wohnregion. Dazu kamen noch Daten über das jeweilige Rad-Interesse sowie natürlich der Standort.

Und so ganz kompliziert ist ein solches Setup nicht. Zwar stammen die Daten aus allen möglichen Quellen, aber wie die letztlich zusammengeführt werden, muss den Mediaplaner nicht interessieren. Was ihn interessiert, ist natürlich die Qualität der Daten. Und die misst Carsten Riemann-Kafsack mit ganz handfesten Bewertungsgrößen, nämlich anhand der Anzahl der Menschen, die auf den Testivals erschienen sind.

Die Daten über den Standort des jeweiligen Nutzers kommen aus verschiedenen Quellen. Das GPS-Signal dominiert. Es wird unter anderem von Google Maps oder einer WetterApp standardmäßig ausgelesen, weil hier die Nutzer einen direkten Mehrwert davon haben, sich und ihr Smartphone orten zu lassen. Natürlich haben sich die jeweiligen Apps in ihren AGB das Recht gesichert, diese Daten auch auswerten und werblich vermarkten zu dürfen. Außerdem können Smartphones auch anhand ihres WLan-Signals geortet werden. Das machen zum Beispiel digitale Plakatstehlen oder WiFi-Hotspots, selbst wenn der Nutzer sich nicht einloggt.

So richtig wirksam wird eine solche Kampagne allerdings nur, wenn man verschiedene Werbemittel erstellt, die für die Zielgruppen relevant sind. Du Beim E-Bike gibt es eine große Spannbreite von Interessenten. Der Aufwand ist beträchtlich, wenn man sieht, dass es für sehr viele unterschiedliche Daten-Kombinationen (weiblich, jung, ländlich, Rennrad) jeweils eigene Werbemittel geben sollte. Allerdings profitierte man in der Herstellung natürlich davon, dass entsprechendes Bildmaterial meistens vorhanden war.

Die verschiedenen Varianten des Werbemittels übergibt man der Steuerungssoftware und die spielt sie dann aus. Während der Laufzeit der Kampagne bilden sich automatisch eine oder mehrere Gewinner-Varianten heraus, die dann häufiger ausgespielt werden als andere. Auch davon sieht der Planer letztlich nur das Ergebnis. Die aktive Steuerung macht die Software.

Kosten: 10 Euro pro Kunde

Wie misst man bei einer solchen Kampagne den Erfolg? Das geschieht über die sogenannte Footfall-Analyse. Hier werden die gleichen Tracking-Mechanismen eingesetzt, wie beim Targeting. Nur dass der Radius eben ausschließlich auf das Gelände der Filiale begrenzt ist oder direkt vom WiFi-Hotspot erkannt wird. Die Device-ID des jeweiligen Smartphones wird an das System übertragen und das kann dann sehen, ob und wenn ja, welches Banner auf diesem Smartphone ausgespielt wurde.

Und mit welchen Werten vergleicht man? Entweder man vergleicht mit dem Vorjahresergebnis, dann riskiert man, dass Störfaktoren das Ergebnis verzerren. Das könnte das Wetter sein, das im Vorjahr vielleicht viel besser war. Aber es könnte auch der Werbedruck sein. Da Kalkhoff 2019 100 Jahre alt wurde, wurde weit mehr geworben, als nur zum Testival.

Die genauere Lösung ist, mit einer Kontrollgruppe zu arbeiten. Das sind Menschen, die die Werbemittel nicht sehen und bei denen es somit keinen zusätzlichen Impuls gibt, zum Testival zu kommen. Die Differenz zwischen beiden Gruppen, schreibt man dann der Kampagne zu.

Und dieser Unterschied war deutlich. Während in der Kontrollgruppe knapp 4000 Besucher kamen, waren es 12 000 bei den Läden mit Kampagne. Eine Steigerung um 200 Prozent. Die deutliche Mehrzahl der Besucher war männlich – eine wertvolle Erkenntnis für künftige Kampagnen. Und sie war älter als erwartet. 60 Prozent der Besucher waren zwischen 36 und 55 Jahren alt.

Allerdings gelingt es jedem Marketer, mehr Menschen zu einem Tag der Offenen Tür zu lotsen, wenn er nur genug Geld in die Hand nimmt. Aber was ist mit dem ROI? Masterplan errechnete insgesamt Kundenakquisitionskosten von unter 10 Euro pro Kunde. Das ist für Kalkhoff eher ein günstiger Wert und damit hat es sich schon kurzfristig gelohnt. Langfristig könnte es zusätzliche Effekte geben, wenn die Markenwahrnehmung sich wie vom Unternehmen gewünscht tatsächlich ändert.

Die Technik ist da, die kluge Strategie muss man sich erarbeiten

Um eine solche Kampagne klug zu konzipieren und die technischen Lösungen zu finden, ist schon eine Menge Hirnschmalz nötig. Aber faktisch sind Drive2Store-Kampagnen für eine Agentur wie Masterplan nichts Neues. Viele Komponenten sind erprobt und werden einfach aus der Schublade gezogen.

Der Absender der Kampagne kann so tief mit in die Arbeit einsteigen, wie er will. Er kann nur die groben Ziele vorgeben, er kann die Detailplanung mitbestimmen oder sogar an den Werbemitteln mitarbeiten. Je nachdem, wie gut seine Vorkenntnisse und sein Zeitbudget sind. Showstopper sollte nicht sein, dass man keine Zeit hat, sich mit solchen granularen Möglichkeiten zu beschäftigen.

Das Ausspielen automatisierter Kampagnen, die mit Targeting-Parametern gesteuert werden, hat inzwischen alle Mediengattungen erreicht. Anfang April startet sogar RTL damit, zielgerichtet produzierte Werbespots an smarte Fernseher zu schicken. Bei ProSieben hat Volkswagen in einem ersten Test versucht, reine B2B-Zielgruppen für seine Nutzfahrzeuge zu erwischen. Im Fernseher! 

Kenner der Fahrradbranche wissen, dass sie definitiv nicht zu den digitalen Vorreitern gehört.  Aber Targeting und Programmatic muss man als Radmarke auch nicht verstehen, um es trotzdem nutzen zu können. Tut man es nicht, wird Werbegeld eventuell unnötig in Streuverlusten vergeudet und das will ja keiner. Media-Agenturen wie Masterplan helfen gerne bei der Umsetzung. Natürlich kosten diese Geld, leisten meistens aber auch wirklich gute Arbeit. In diesem Fall sogar preisgekörnt. Für die Kalkhoff-Kampagne erhielt Masterplan den Deutschen Preis für Onlinekommunikation 2020.

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Frank Puscher ist Journalist mit über zwei Jahrzehnten Berufserfahrung.