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Stolpersteine auf dem Weg zur Marketing Automation

Die Bedeutung der Marketing Automation hat rasant zugenommen. Doch nicht alle Projekte verlaufen erfolgreich. Welche Stolpersteine gilt es zu umgehen?
Daniel Renggli | 18.03.2022
Stolpersteine auf dem Weg zur Marketingautomation © Freepik / sebdeck
 

Wie Stephen Covey in seinem Bestseller schon sagte: «Begin with the end in mind.» Wir sollten wissen, was wir erreichen wollen, wie das Endresultat auszusehen hat. Es macht einen Unterschied, ob wir nur E-Mail-Marketing automatisieren wollen, oder ob wir auch die Inhalte unserer Webseite oder unserer E-Commerce-Anwendung dynamisch personalisieren wollen.

Wenn wir uns über das Was bzw. die gewünschten Outcomes im Klaren sind, sollten wir uns Gedanken über das Wie machen.

Es lohnt sich, eine längerfristige Strategie zu definieren. Was nicht heißt, dass man diese nicht in kurz-, mittel- und längerfristig zu erreichende Ziele unterteilen kann.   

Alleingang der Marketingabteilung

Marketing Automation, der Name sagt es schon, ist eine Marketingdisziplin. Das heißt jedoch noch lange nicht, dass man alles allein durchziehen soll. Marketing Automation erfordert ein Umdenken in den Prozessen, also sollten wir alle, die Kundenkontakt haben, frühzeitig in unser Vorhaben einweihen, und wenigstens Vertreter aus dem Vertrieb und dem Kundendienst für unser Projektteam gewinnen.

Es macht die Sache nicht einfacher, wenn wir auch die IT-Abteilung an den Tisch holen, aber man spart sich später viel Ärger, wenn es um Themen wie Datenintegration, Datenhoheit oder Datensicherheit geht.

Fehlende Segmentierung und unklare Zielgruppen

Wer kennt sie nicht, die Heilige Dreifaltigkeit des Marketings: Segmentierung, Targeting und Positionierung? Diese sollten wir auch bei der Automation des Marketings nicht einfach ignorieren. Es sei denn, wir bewegen uns in einem homogenen Markt und unsere Zielgruppe heißt «alle deutschen Unternehmen».

Es ist wichtig, eine klare Vorstellung der potenziellen Kundschaft oder «Buyer Personas» zu haben. Potenzielle Kunden lassen sich in Kundensegmenten gruppieren, während die Buyer Personas per se ein Segment definieren. Für die Marketingautomation besser geeignet sind allerdings dynamische Kundenprofile. Kundenprofile, die mit jeder Interaktion geschärft werden. Mit modernen Marketingautomationslösungen lassen sich so dynamisch Segmente bilden.  

Wichtig ist, dass jede Botschaft so persönlich wie möglich ist («hyper-personalized»), wir sprechen deshalb auch vom «Segment of One».

Mangelnde Kampagnenplanung

Moderne Tools machen vieles einfacher, von einer sorgfältigen Kampagnenplanung entbinden sie uns aber nicht. Anfangen sollten wir auch hier mit den Zielen, mit dem, was wir konkret erreichen wollen. Zum Beispiel die Zielgruppe zum Ansehen eines Erklärvideos animieren, zum Download von «gated content» (Studien, Whitepapers, Tipps & Tricks) bewegen, zu einem Trial animieren, für ein Webinar gewinnen, zu Zusatzkäufen verführen (Up- oder Cross-Selling), oder nach einem Warenkorbabbruch zurückgewinnen.

Sobald die Ziele gesetzt sind, sollten wir an einem Plan zur Umsetzung, einer Roadmap, arbeiten und auch ein paar Messgrößen definieren (KPIs). Wir müssen uns klarwerden über die einzelnen Schritte unserer Kampagne bis zur gewünschten kundenseitigen Aktion. Ein Fokus sollte hier auf den Conversions von Kampagnenstufe zu Kampagnenstufe liegen.

Danach erst geht es an die Inhalte: E-Mail, Formulare, Landing Page, Microsite, etc.  

Hang zu Perfektionismus

Man kann sehr viel Zeit darauf verwenden, die perfekte Kampagne zu planen. Es hat sich aber bewährt, klein anzufangen, mit einer wenig komplexen, übersichtlichen Kampagne. Fehler können auch so vorkommen, aber das ist okay, solange wir daraus lernen. Alleweil besser, als mit viel Aufwand die perfekte Kampagne anzustreben, weil dann erste Learnings erst sehr spät gewonnen werden, und es ungleich schwieriger wird, Anpassungen in komplexen Kampagnenstrukturen vorzunehmen.

Arbeiten wir also erst einmal mit einfachen Workflows und lernen, was innerhalb unserer Zielgruppen funktioniert und was nicht (durch konsequentes Messen). Danach optimieren wir und bauen erst später komplexere Workflows mit multiplen Trigger und Lead Scoring.

Fehlender Fokus auf die Inhalte

In Zeiten der Überkommunikation und Reizüberflutung kommt Content eine immer größere Bedeutung zu. In der Marketingautomation sorgt guter Content für einen Pull-Effekt und sollte deswegen zentraler Baustein einer jeden Kampagnenplanung sein. Wir müssen uns dazu die Frage stellen, welche Inhalte einer Buyer Persona wirklichen Mehrwert stiften könnten.

Guter Content sollte die Schmerzpunkte der Zielgruppe adressieren, hochwertig und nicht frei zugänglich sein, einen News-Charakter haben, dem Informationsverhalten der Buyer Personas entgegenkommen, die für das Kampagnenziel relevanten Argumente beinhalten, und attraktiv gestaltet sein.

Content entscheidet oft über Erfolg oder Misserfolg einer Kampagne.

Getrübte Sicht auf die Customer Journey

Man ist sich der Tragweite vielleicht nicht bewusst, aber gerade auch als «Digital Marketer» sollten wir uns mit den wichtigsten Aspekten des Customer Experience Management auseinandersetzen. Dazu gehören neben vielen anderen Punkten die Customer Journey, End-to-End-Prozesse über Silogrenzen hinweg. Wir dürfen Marketing Automation nicht als völlig isolierte Disziplin innerhalb des Marketings betrachten. Es gilt, in ganzheitlichen Prozessen zu denken, die die gesamte Customer Experience reflektieren – vom ersten Interesse eines potenziellen Kunden über den Kauf bis hin zur einer After-Sales-Betreuung und einem Loyalitätsprogramm.

Überbewertung der Datenharmonisierung

In vielen Organisationen bestehen nicht nur Abteilungssilos, sondern auch viele Datensilos. Die gute Neuigkeit: Es gibt Kundendatenplattformen (CDP), die es ermöglichen, Daten aus unterschiedlichen Pools zusammenzuziehen und mittels KI zu einem gewissen Grad zu harmonisieren. Oder wenigstens für die Marketing Automation nutzbar zu machen.

Auf keinen Fall ist eine fehlende Datenharmonisierung Grund, vorläufig nicht zu automatisieren. Es gilt: «Done is better than perfect.» Und die Marketing Automation per se wird, sofern richtig aufgesetzt, auch zu einer qualitativen Verbesserung der Kundendaten beitragen.

Vernachlässigung des Testens

Man ist gut beraten, ein paar Testläufe durchzuführen, bevor der Startschuss zu einer Kampagne fällt. Dabei werden Kampagnenstränge, Verknüpfungen, Logiken, Intervalle, etc. auf ein einwandfreies Funktionieren überprüft. Schnell wird deutlich, was funktioniert, und wo es nachzubessern gilt.

In der Testphase offenbart sich oft auch, ob mit der geplanten Kampagne die gesetzten Ziele erreicht werden können.

Wer nicht alles auf eine Karte setzen will, versucht es mit A/B-Testing. Dabei lässt sich mit unterschiedlichen Kampagnenverläufen, Inhalten, Headlines, Bildmaterial, etc. experimentieren. Moderne Marketingautomationslösungen shiften Budgets dynamisch auf das, was besser performt.

Nichtbeachtung von Datenschutzrichtlinien

Auch wenn die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) unliebsame Themen sind für kreative Marketingköpfe, sollte man unbedingt etwas Zeit darauf verwenden oder sich gut beraten lassen – durch externe Fachleute oder die interne Compliance-Abteilung. Selbst dann, wenn vordergründig jemand anderes in der Verantwortung steht. Schließlich werden Unternehmen in der EU nicht selten in zweistelliger Millionenhöhe gebüßt – und das hat einen direkten Einfluss auf das eigene Salär.

Auch die Wahl einer professionellen Softwarelösung, die vermeintlich alle datenschutzrelevanten Aspekte in den Prozessen berücksichtigt, ist keine Garantie dafür, dass nichts schiefgehen kann.  

Bevorzugung von Best-of-Breed-Lösungen

So manch einer Marketingfachkraft wird übel, wenn es um die Evaluation der richtigen Marketingautomationslösung geht. Gemäß Chiefmartec.com sind es rund 8.000 Lösungen hunderter Hersteller.

Bevor man sich also im Dschungel der Features infrage kommender Lösungen verliert, sollte man sich klar werden, welche Ziele man erreichen will – und daraus abgeleitet, was automatisiert werden soll, und welche Funktionen dazu benötigt werden. Dabei lohnt es sich, etwas in die Zukunft zu blicken. Zu oft wird schnell ein für die aktuell benötigte Aufgabe gut geeignetes Tool beschafft, das nach einem Jahr an seine Grenzen stößt.

Hier lohnt sich auch ein Blick über den Tellerrand. Besteht neben der Automation im Marketing auch Bedarf für Sales oder Service Automation? Die gewählte Lösung sollte mindestens Adaptoren für die einfache Integration von Drittanwendungen bieten. Adaptoren oder offene APIs sind auch wichtig für die Integration bereits bestehender Lösungen, beispielsweise der vorhandenen CRM- und ERP-Systeme.

Vertrauen in die künstliche Intelligenz

Künstliche Intelligenz in der Marketingautomation ist Fluch und Segen zugleich. Einerseits führen beispielsweise im E-Mail-Marketing die auf KI-basierende Send Time Optimization und Fatigue Analysis, also die Entscheidung, zu welcher Tageszeit und wie oft mit einer Zielperson kommuniziert wird, zu besseren Resultaten. Andererseits kann das auf Algorithmen basierende Programmatic Advertising zum genauen Gegenteil führen, wenn die KI falsch trainiert ist, oder Ziele falsch gesetzt worden sind, wenn man zum Beispiel auf hohe Klickraten und einen günstigen TKP (Tausend-Kontakt-Preis) zielt. Abgesehen davon, dass nur wenige Anbieter ihre Werbung auf Pornoseiten oder den Seiten von extremen Gruppierungen sehen wollen, können falsche Metriken, z. B. Cost per Click und Conversion Rate, dazu führen, dass der Vertrieb überschwemmt wird mit qualitativ schlechten Leads. Oder es kommt gar nichts an im Vertrieb, ganz einfach, weil der Ad Server aufgrund der erwähnten Zielsetzung (hohe Klickrate, tiefer TKP) Interstitials auf Seiten ausspielt, wo wenig Kontext gegeben ist und diese von den genervten Webseitenbesuchern schnell weggeklickt werden.  

Es lohnt sich in jedem Fall, sich mit den Grenzen der KI zu befassen.

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Daniel Renggli ist langjähriger Marketingprofi, Technologie-Kenner und CX-Enthusiast.