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KI automatisiert Content-Marketing

Mit Augmented Writing und Automatic Writing übernimmt KI auch kreative Aufgaben. Wie weit geht die Automatisierung des Content-Marketings?
Peter Gentsch | 23.05.2022
KI zur Automatisierung des Content Marketing © Freepik / rawpixel.com
 

Um Künstliche Intelligenz (KI) wird viel Wirbel gemacht. Und das wahrscheinlich zurecht. Denn es gibt keine Technologie, die gleichzeitig so über- und unterschätzt wird, wie die KI.

Ein spannender Trend ist die Entwicklung der KI in Richtung Innovation und Kreation im Marketing. Damit geht es nicht mehr nur um Automatisierung und Prozessoptimierung - wie z.B. bei Marketing Automation - sondern zunehmend auch darum, kreative, innovative Prozesse anzustoßen, zu unterstützen oder sogar zu übernehmen. Die KI befindet sich damit auf dem Weg zum „New Creative“.

Die Diskussion „Mensch oder Maschine“, bzw. die immanente Angst, dass Maschinen die Kontrolle über uns Menschen übernehmen können, begleitet uns seit „Modern Times“ von Charlie Chaplin aus dem Jahr 1933. Die aktuellen Meldungen, dass Künstliche Intelligenz die 10. Sinfonie von Beethoven vollendet, einen Essay im Guardian automatisch geschrieben sowie dass das Auktionshaus Christie's ein von der KI gemaltes Gemälde für 380.000 Euro versteigert hat, unterstreicht diese Entwicklung eindrucksvoll. Diese neue Gestaltungskraft der KI hat natürlich auch Einfluss auf den Bereich Marketing. Im Folgenden werden die beiden KI-Content Marketing Trends Augmented Writing und Automatic Writing beschrieben.

Augmented Writing

Augmented Writing nutzt KI, damit Redakteure automatisiert hochwertige und für den Leser relevante Texte erstellen können. Zudem kann KI den Redakteur bei der Recherche von relevanten Themen und Trends unterstützen. KI kann das Internet dabei nicht nur statistisch auswerten, sondern durch semantische Analyse auch Internetseiten “verstehen”, was die relevanten Aspekte eines Themas sind. KI hilft die wirklich relevanten Begriffe zu finden und Beziehungen zwischen den Begriffen herzustellen. Der Redakteur kann so dreidimensional in einen Themenbereich eintauchen, die Kontexte der Begriffe sehen, gezielt auswählen, was er in seinem Text berücksichtigen will und auch direkt eine Bewertung des Themenraums hinsichtlich der Relevanz zu einem Thema erhalten.

Im Ergebnis erhält der Redakteur ein Konzept für seinen Text inklusive allen Begriffen, Unterthemen und Kontexten, die wirklich Relevanz für den behandelnden Themenkomplex sind. So entsteht automatisiert ein Grundgerüst für den Text, das der Redakteur dann entsprechend ausarbeiten kann (Abbildung 1)

Abbildung 1: KI-generiertes Text-Template mit Empfehlungen

 

Im Idealfall produziert der Redakteur unterstützt durch die KI einen hochrelevanten, optimal strukturierten Text, der alle Kriterien erfüllt, um bei Google gut gefunden zu werden. Insbesondere werden alle Nutzersignale in den Daten von Google zeigen: die Besucher lesen den Text, finden die gewünschten Informationen und müssen keine weiteren Quellen aufrufen. Dies führt dazu, dass Google den Text immer weiter oben in den Suchergebnissen anzeigt. Solche Texte erreichen nicht wie bisher eher zufällig oder aufgrund langwieriger Recherche ein dauerhaftes Ranking auf den vorderen Plätzen, sondern weil sie auf Basis der KI automatisiert Relevanz und Sichtbarkeit sicherstellen.

Das Augmented Writing sollte darüber hinaus ein kontinuierliches Monitoring der Texte beinhalten, denn aufgrund der Dynamik bei den Google-Suchanfragen kann sich die Relevanz eines Keywords, bzw. eines Themas über die Zeit verändern, d.h. ein Text braucht dann ein entsprechendes Update. Letzteres, also die Pflege eines Texts, ist für Suchmaschinen ebenfalls ein gutes Signal für das Ranking.

 

Automatic Writing

Noch einen Schritt weiter geht das sogenannte Automatic Writing, bei dem Inhalte weitgehend automatisch auf Basis von KI-Algorithmen erstellt werden. Hier werden aktuell die sogenannten Transformer-Modelle als neue Welle der KI diskutiert. GPT-x von Open AI von Elon Musk steht dabei für „Generative Pretrained Transformer“-Modell. Es ist ein Sprachmodell, das auf einem per Deep Learning (vor)trainierten Künstlichen Neuronalen Netz basiert. Das Sprachmodell wurde mit riesigen Textmengen aus dem Internet trainiert und ist in der Lage, Texte selbstständig oder als Antwort auf Fragen zu verfassen und semantische Interdependenzen über Satzgrenzen hinweg zu beachten. Für Marketing und Kommunikation ergeben sich damit interessante Anwendungsfelder:

-            Content Marketing: Automatisierte Erstellung und Verteilung von Content

-            Augmented Writing: Unterstützung bei der Erstellung von Artikeln, die bei Google hoch ranken

-            Social Media Marketing: Erstellung und Verteilung von Posts auf unterschiedlichen Plattformen

-            (Chat)Bots: Automatische Dialoge mit Konsumenten/  Beantwortung von Fragen

-            Krisenkommunikation

 

Abbildung 2 zeigt zwei Beispiele, wie auf Basis von GPT-3 Content automatisch erstellt werden kann.

Abbildung 2: Automatische Erstellung von Content auf Basis von GPT-3

 

Die linke Seite zeigt ein automatisch erstellten Produkt-Review für Amazon, die rechte Seite ein automatisch erstellter Beitrag zu dem Thema „Digitales Marketing“. Liest man den gesamten Text zum Thema Digitales Marketing fällt auf, dass der Text einen gewissen positiven Bias hat. Das liegt einfach daran, dass im Internet sehr viele Texte im Internet zum Digitalen Marketing etwas vertriebsgeprägt von Agenturen, Software-Anbieter und Berater geschrieben sind. Diese Verzerrung wird über das Maschinelle Lernen mitgelernt. Damit wird deutlich wie wichtig die zugrundeliegende Wissensbasis für die Erstellung von verlässlichen Content ist. Das beschriebene Neuraverse stellt mit seinem relevanten Markt- und Markenwissen damit die optimale Basis für die automatisierte Texterstellung dar.

Mit Automatic Writing lassen sich gut Produkt- und Unternehmensrelevante Inhalte erstellen. Für lange Romane oder Krimis ist dieser Ansatz dagegen nicht geeignet. Zudem zeigt die Praxiserfahrung, dass diese Systeme gut für die Zusammenfassungen von bestehenden Inhalten aus dem Internet genutzt werden können. Diese Funktion kann gut für eine Ideen- und Themen-Screening eingesetzt werden.

Für ein qualitativ gutes Automatic Writing ist eine passende Initialisierung der Algorithmen notwendig. Dieses sogenannte Prompt-Engineering stellt eine interessante Möglichkeit dar, mit GPT-3 zu interagieren. Im Grunde geht es darum, clevere textbasierte Skripte zu erstellen, die GPT-3 dazu bringen, die vom Redakteur gewünschten Inhalte zu erstellen. Für den automatisch durch GPT-3 erstellten Produkt Review (Abb. 2) wurde beispielsweise folgender Prompt gewählt:

“Write a comprehensive text for Amazon Product page selling an inovative product (PRODUCT TITLE, PRODUCT DESCRIPTION, PRIZE, REVIEW)”

Zudem ist i.d.R. ein gewisses Nachbessern bzw. Fine Tuning der generierten Inhalte notwendig. Damit ist Automatic Writing derzeit immer noch eher ein Augmented Writing, da der intelligente Input vom Redakteur beim Prompt und Fine Tuning notwendig ist. Die Erfolgsformel für optimal automatisch erstellte Inhalte lautet daher wir folgt:

 Prompt Engeneering + Neuraverse + Fine Tuning = idealer Artikel

So beindruckend diese Entwicklungen sind, so deutlich zeigen sie auch wie wichtig die zugrundeliegende Datenbasis ist: „Garbage in – Garbage out“. Damit GPT-x nicht zu einem stupiden globalen Papagei wird, der jeden Bias und jedes Rauschen der Internet lernt, muss die zugrundeliegende Datenbasis das relevante Markt- und Markenwissen abbilden.

Die Kombination von intelligenten Algorithmen und Daten wird damit zum zentralen Erfolgsfaktor für den operativen und kreativen Einsatz von KI im Marketing.

Die Beispiele zeigen heute schon eindrucksvoll, das immense Potential von Automatic Writing für Marketing und Kommunikation. Insbesondere wenn man bedenkt, dass die neu entwickelten GPT-4-Algorithmen einen um Faktor 500 größere Datenmengen zum Trainieren nutzen. Und ein Blick nach China zeigt mit dem Transformer-Modell Wu Tao 2.0 einen noch leistungsfähigen Ansatz, der bereits heute zehnmal mächtiger ist als der GPT-X-Ansatz. Diese rasante Entwicklung der Transformatoren-Modelle gepaart mit dem exponentiellen Anstieg der Rechenleistung lässt erahnen welche Qualität in Zukunft automatisch generierte Inhalte haben werden. Automatic Writing ist damit ein wesentlicher Trend für das Digital Marketing.

Software-Landschaft

Der derzeitige Markt für Tools zur Erhöhung von Relevanz und Sichtbarkeit von Content reicht von einfachen SEO-Tools bis hin zur KI-basierten Tools, die eigenständig relevanten und sichtbaren Content produzieren. Im Gegensatz zu den klassischen SEO-Tools sind KI-basierte Tools noch recht neu am Markt. Neben der analytischen Basis unterscheiden sich die Tools insbesondere bezüglich der Kriterien Domänenspezifisch/ Domänenunabhängig sowie der zugrundeliegenden Datenbasen. Zudem fokussieren sich Anbieter auf bestimmte Domänen, z. B. für Employer Branding/ Stellenanzeigen. Einige Anbieter bieten bereits Lösungen für verschiedene Sprachen an. Abbildung 3 zeigt den derzeitigen Markt im Bereich Content Support und Creation auf.

Abbildung 3: Software-Werkzeuge im Bereich Content Support und Creation

 

KI X.0: Intelligence Explosion – was im Marketing auf uns zukommt

Die Explosion der beschriebenen Transformatoren-Modelle wird auch Impact auf das Thema Conversational Search haben. Im Gegensatz zum Suchschlitz auf dem Rechner oder Handy funktioniert die Such-Logik Voice-basierte Systeme wie Amazon Alexa oder Google Assistant anders. Vom Mantra „Rule the first page” wird es zunehmend um „Rule the first Voice-Answer“ gehen. Es wird immer mehr erfolgsentscheidend, schnell und zuverlässig den Intent in dem Voice Request verlässlich zu erkennen und in Echtzeit die richtige Antwort zu geben. Ebenso wird die Technologie immer wichtiger für Conversational Interfaces wie Messenger (z.B. WhatsApp) oder (Chat)Bots. Hier geht es darum Text- oder Voice-basiert intelligente Dialoge automatisiert mit den Konsumenten zu führen. Beide Ansätze spielen eine Schlüsselrolle bei dem immer stärker wachsenden Conversational Commerce.

Durch die weiter steigende Digitalisierung durch das Internet of Things (IoT), das Internet of Humans (IoH) bzw. insgesamt durch das Internet of Everything (IoE) wird die Datenmenge und damit die Lernmenge für das Maschinelle Lernen weiter steigen. Zusammen mit exponentiell wachsender Rechnerleistung werden Umfang und Qualität automatisch erstellter Inhalte weiter zunehmen.

Damit ergibt sich die spannende Frage: Wenn die statistischen Modelle immer besser werden, brauchen wir dann überhaupt noch Human Intelligence und Knowledge Graphen? Ersetzen Wisdom oft the Crowd und das Gesetz der grossen Zahlen den „Man in the Loop“? Die beschriebene Qualitätssicherung, Bewertung und Fine Tuning der KI-basierten Inhalte wird wohl ohne den Menschen auf absehbare Zeit nicht funktionieren. Im Sinne des Augmented Intelligence wird der hybride Ansatz aus Mensch und Maschine der Schlüssel zum Erfolg sein.

Die bisherigen Ausführungen sind stets davon ausgegangen, dass der Content automatisiert oder semi-automatisch für menschliche Konsumenten produziert wird. Konsumenten werden in naher Zukunft zunehmend Systeme einsetzen, die Content selektieren, bewerten und daraufhin (Vor-)Entscheidungen treffen werden. Damit werden zukünftig Inhalte von Bots konsumiert, bzw. vorselektiert. Das heißt, dass wir in letzter Konsequenz zwei Szenarien entgegensehen: Vielleicht wird diese Entwicklung das Marketing überflüssig machen, das durch Markenbotschaften und emotionale Kundenansprache Bedürfnisse wecken und erfüllen will. Dieses Post-Humane Marketing würde dann das bisherige Marketing auf nüchterne, rationale Preis-Leistungsvergleiche in einer zunehmend synthetischen Welt reduzieren. Oder aber die KI erkennt Emotionalität als Haupttriebfaktor der menschlichen Entscheidungswelten und generiert derart treffsichere Emotionen, dass Menschen aufgrund solcher Bot-generierter Emotionalität ihre Kaufentscheidungentreffen.

Im negativen Sinne werden wir damit eine zunehmend KI-geprägte, rationale, entemotionalisierte und entmenschlichte Welt schaffen, in der das klassische Marketing an Bedeutung verlieren wird. Auf der anderen Seite entlasten uns die beschrieben KI-Ansätze von lästigen Routinearbeiten, so dass sich das Marketing auf die wirklich wichtigen Aufgaben wie Marken-Strategie und Brand Management konzentrieren kann.

Abschließend soll nicht unerwähnt bleiben, dass dieser Artikel aus 100% menschlicher Feder stammt und keine KI-Tools zum Einsatz kamen. Ebenso hofft der Autor inständig, dass die vorliegenden Inhalte von Menschen und nicht von Bots gelesen werden. Wer weiß, wie lange das noch der Fall sein

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Prof. Dr. Peter Gentsch arbeitet als Dozent und als Partner der diva-e Gruppe. Er ist Experte im Bereich Digitale Transformation, Big Data sowie KI.

Kommentare

Torsten Schwarz

Dass auf Basis der KI automatisiert die SEO-Relevanz verbessert wird, wusste ich, aber wie weit die automatisierte Texterstellung bei Produktbeschreibungen ist, hat mich echt beeindruckt