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Psychologisch fundierte Grundsätze der Conversion-Optimierung

Diese 5 Behavior Patterns sind Klassiker der Verkaufspsychologie und können richtig eingesetzt User näher an eine Conversion bringen.
Michael Witzenleiter | 04.10.2022
Psychologisch fundierte Grundsätze der Conversion-Optimierung © Freepik / rawpixel.com
 

„Menschen kaufen von Menschen“. Dieser Grundsatz gilt auch und vor allem im Onlinehandel. Auch wenn der Kauf im Netz als anonymer Prozess erscheint, haben Kunden daran doch Erwartungshaltungen, die sie von physischen Kaufprozessen kennen. Viele Online-Marketer scheinen diese Tatsache auch aufgrund der technischen Möglichkeiten und Marketing-Tech-Lösungen zunehmend zu vernachlässigen.

Behavior Patterns

Behavior Patterns sind als standardisierte Verhaltensmuster zu definieren, die bei Entscheidungen von Menschen eine durchaus relevante Rolle spielen. Sie können als kommunikative Überzeugungsinstrumente gesehen werden und lassen sich dem Bereich der „persuasive communication“ zuordnen [1]. Die Patterns wirken zwar im Allgemeinen bei allen Menschen, jedoch ist es sinnvoll, wenn sie speziellen Persönlichkeitstypen zugeordnet werden. So kann man diese Persönlichkeitstypen beispielsweise auf Basis von Modellen wie den Limbic Types der Gruppe Nymphenburg oder auf Basis des Kontextes der eigenen Nutzung bilden. Durch A/B-Tests kann man herausfinden, welche Behavior Patterns an welchen Stellen der Customer Journey den größten Hebel besitzen, jedoch hängt die konkrete Wirkung dieser von der individuellen Zielgruppe ab.

Aufgrund der Erfahrung von über 3000 Experimenten in den vergangenen fünf Jahren, ist es dem Autor möglich gewesen, eine Top 5 der am häufigsten angewendeten Verhaltensmuster in A/B-Tests zu erstellen. Diese werden nachfolgend genauer vorgestellt [2].

1. Reciprocity (Reziprozität):

Durch wissenschaftliche Studien hat sich nachweislich gezeigt, dass das Trinkgeld für Kellner höher ausfällt, wenn diese kleine Geschenke machen. In der Praxis ist vielen bestimmt schon aufgefallen, dass manche Restaurants Schokolade oder kleine Bonbons zu der Rechnung dazulegen. Wenn Menschen den Drang verspüren, im Gegenzug zu den Geschenken dem Schenkenden gleichermaßen eine Freude machen zu müssen, wird von Reziprozität gesprochen [3].

Dieses Prinzip kann man sich im Conversion-Optimierung-Bereich zusammen mit A/B-Tests ebenfalls zunutze machen. Beispiele sind: Die Nutzung von Freemium-Modellen, Beilage von Incentives zu Bestellungen, Versandkostenfreiheit, Einführung von Schwellen für Gutscheine oder Gratisprodukte [1]. Ein weiteres Beispiel wäre die Beilage einer handgeschriebenen Karte in einem Paket. Dies kann ebenfalls einen „Geschenk-Charakter“ entwickeln und den Kunden in gewisser Weise überraschen. Dieses Prinzip setzt sowohl während des Kaufprozesses als auch in der Nachkaufphase an und erhöht somit die Kauftreue und verringert die damit verbundenen Retouren oder Stornos.

2. Liking (Sympathie):

Vertrautheit, Attraktivität oder Ähnlichkeit spielen eine große Rolle, wenn Sympathie für ein Gegenüber aufgebaut werden soll. Hinzukommend sollte bei der Kommunikation darauf geachtet werden, dass Authenzität vermittelt wird [3]. Daraus lässt sich schließen, dass in den meisten Fällen uns Menschen oder auch Angebote am sympathischsten sind, die uns sehr nahe vorkommen. Im Bereich der A/B-Tests kann man dieses Prinzip anwenden, in dem man mit Bildern aus der Zielgruppe oder bewusst Mitarbeiterfotos anstatt Stockbilder verwendet. Hierdurch erzeugt man Sympathie und Authentizität, was sich in allen Medien und Kanälen konsequent widerspiegelt.

3. Social Proof (Soziale Bewährtheit):

Als Weltenbummler lernt man schon nach einer kurzen Zeit einen simplen Trick, um den leckersten Kaffee oder das beste Lokalrestaurant zu finden: Einfach in die Schlange stellen. Menschen sind allgemein Herdentiere, die sich meistens dem Verhalten anderer Menschen anpassen. Im Umkehrschluss bedeutet das, wenn außergewöhnlich viele Leute sich bei einem Restaurant anstellen, dass es dort automatisch am besten schmecken muss. Zusätzlich wird diese Grundannahme häufig von der eigenen Erfahrung bekräftigt und bestätigt. Ein typisches Beispiel dieses Prinzips in der Onlinewelt ist, dass in den gängigsten Onlineshops angezeigt wird, wie viele Personen sich das Produkt oder Angebot anschauen oder schon gekauft haben. Hinzukommend können auch Testimonials, einfache Kundenbewertungen (Likes oder Kommentare) oder Influencer dem Nutzer soziale Bestätigung vermitteln. In der Praxis haben sehr viele Tests gezeigt, dass diese Effekte umso intensiver aufgefasst werden, je näher der (potenzielle) Käufer dem Prozessabschluss oder sogar dem Kauf ist.

4. Authority (Autorität):

Gewöhnlich folgen Menschen in Gruppen sogenannten Alpha-Tieren, was sich auch im Laufe der Evolution bewährt hat. Unter anderem ist dies auch einer der Gründe, warum Kunden mehr auf Experten vertrauen als auf „normale“ Nutzer. Je höher die Autorität des Meinungsführers ist, desto mehr vertrauen die Nutzer dieser abgegebenen Meinung. Dieses Prinzip kann für A/B-Tests und die Conversion-Optimierung genutzt werden, in dem man bei den Kunden bewusst unterschiedliche Testimonials gegeneinander austestet, um herauszufinden, wem die Kunden am meisten Gehör schenken.

Dabei ist es interessant zu verstehen, dass die Autorität nicht zwingend ein Experte aus genau jenem Bereich sein muss, sondern es schon alleine reicht, wenn diese Person ein angesehener Experte auf einem anderen Gebiet ist. Aus diesem Grund machen auch unter anderem Sportler Werbung für Kosmetik oder Getränke. Außerdem haben spezielle Berufsgruppen (Ärzte, Richter, Polizisten) von Grund auf eine höhere Autorität als andere, während Gütesiegel ebenfalls als autoritäre Ausweise angesehen werden.

5. Scarcity (Verknappung):

Jeder kann sich bestimmt noch an die Bilder der leeren Supermarktregale während der Corona-Pandemie erinnern, weil das Toilettenpapier ausverkauft war. Bei diesem Vorfall begannen Hamsterkäufe, weil die Angst vor der Knappheit dieser Produkte vorhanden war. Dies führte zu einer tatsächlichen Knappheit, sodass die Käufer auf die absurdesten Ideen kamen, um dennoch an Toilettenpapier heranzukommen. Knappe Güter sind kostbar, das haben die meisten Menschen gelernt.

Das Prinzip ist jedoch nicht immer einfach umsetzbar, wenn man bedenkt, dass gefühlt an neun von zwölf Monaten im Jahr Schokoladen-Weihnachtsmänner in den Supermärkten stehen. Produkte wirken interessanter und erhöhen die Aufmerksamkeit dafür, wenn eine zeitliche oder mengenmäßige Verknappung vorliegt. Zeitlich begrenzte Angebote oder sogenannte Flash-Sales können Conversions fördern, weil dadurch ein Handlungsdruck beim Kunden entsteht. Im Bezug auf A/B-Test können Hinweise wie „nur noch wenige Artikel vorrätig“ auf ihre Platzierung getestet werden.

 

Alle vorgestellten Behavior Pattern zeigen einen ersten Vorgeschmack auf spannende Test-Ideen, die auf Prinzipien der Verhaltensökonomie basieren und in der Praxis getestet werden können. Weitere Erkenntnisse zu den Prinzipien des menschlichen Handelns gibt es auf dem Markt mit 100 weiteren Patterns im Zuge der Conversion-Optimierung oder ganz spezifisch im Zuge der User Experience immer wieder durch neue durchgeführte psychologische Studien. Dementsprechend ist es wichtig, sich regelmäßig darüber zu informieren und sich dadurch wichtige Erkenntnisse und im besten Fall einen wertvollen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.

 

[1] Spree, P. (2018): PsyConversion: 101 Behavior Patterns für eine bessere User Experience und höhere Conversion-Rate im E-Commerce (1. Aufl. 2018). Springer Gabler

[2] WitzenLeiter, M. (2021): Quick Guide A/B Testing: Wie Sie Ihr Website- und E-Commerce-Testing erfolgreich auf- und umsetzen (1. Aufl. 2021). Springer Gabler.

[3] Weller, R. (2019): Konsumpsychologie und Behavior Patterns: Was Conversion-Optimierer wissen müssen. konversionsKRAFT. – https://www. konversionskraft.de/konsumpsychologie/behavior-pattern.html – Zugriff 14.10.2021

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Michael Witzenleiter ist Managing Director bei Conversion Maker. Er berät Unternehmen im Bereich CVO.

Kommentare

Gabriel Beck

Einmaliger Schubs oder langfristige Strategie?
Es braucht mehr als aktionistische „Konsumschubser“ durch Behavior Patterns, um dauerhaft großartige Kundenerlebnisse zu liefern. Die Frage lautet: Wie können Prozesse im Unternehmen implementiert werden, die Erkenntnisse über die Kunden liefern und für die Produkt- und Unternehmensentwicklung nutzbar sind? Ohne Customer Experience Strategie nicht möglich.