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So geht Führung im digitalen Zeitalter

Die Digitalisierung verändert die Art, wie wir zusammenarbeiten. Doch was bedeutet das für Führung, wenn Arbeitszeit und -ort flexibel werden?
Nicolas Wandschneider | 10.10.2022
So geht Führung im digitalen Zeitalter © Freepik / 8photo
 

Die Welt befindet sich im Umbruch: Die Digitalisierung verändert Branchen und Unternehmen zwar meist schleichend, in manchen Bereichen aber bisweilen disruptiv und exponentiell. Damit einher geht eine Entwicklung, die das Verständnis von Arbeit völlig neu definiert. Denn die neue Arbeitswelt zeichnet sich dadurch aus, dass Arbeitszeit und -ort nicht mehr genau festgelegt ist, sondern eine Flexibilisierung stattfindet, aus der sich auch eine Entgrenzung von Berufs- und Privatleben ergibt.

Es ist völlig klar, dass das Folgen haben muss auf die Frage, wie MitarbeiterInnen und Teams künftig geführt werden müssen. Denn selbstverständlich bringt eine Transformation zunächst einmal erhebliche Veränderungen mit sich, mit denen sich alle Beteiligten arrangieren müssen. Und offensichtlich ist auch, dass flexibles Arbeiten neben vielfältigen Vor- auch zahlreiche Nachteile mit sich bringt, gerade was die Frage von Führung anbelangt.

Moderne Führung: Verändern statt verharren

Moderne Führung bedeutet deshalb als allererstes zu verstehen, welche Potenziale und Möglichkeiten in der internen Digitalisierung liegen, also etwa in den Tools, die spätestens durch die Corona-Beschränkungen deutlich umfangreicher genutzt und zudem wesentlich stärker akzeptiert werden als zuvor – beste Beispiele hierfür sind Tools für interne Konferenzen wie Teams oder Zoom. Ein „Weiter so“, ein Beharren auf tradierten Strukturen, ein „das haben wir doch immer schon so gemacht“ ist deshalb keine Option mehr. Wer auf alten Hierarchien und Arbeitsformen und damit auch auf einer Führungskultur beharrt, die die digitale Transformation ignoriert, wird für Arbeitskräfte unattraktiv und verpasst die Chancen, die neue Prozesse, agile Arbeitsstrukturen und digitale Tools mit sich bringen.

Wie also muss sich Führung angesichts der neuen Herausforderungen im digitalen Zeitalter verändern?

 

1. Vertrauen und Zutrauen

Führungskräfte brauchen künftig noch mehr Zutrauen und Vertrauen in ihre MitarbeiterInnen. Die Zeiten, in denen die MitarbeiterInnen vor Ort und stets physisch greifbar waren, sind vorüber. Das Kriterium „Arbeitszeit“ muss bei der Bewertung eines Angestellten deshalb konsequent dem Kriterium „Arbeitsleistung“ weichen. Letztlich ist es in den meisten Fällen (Ausnahmen sind Tätigkeiten, die physische Anwesenheiten erfordern, etwa im Handwerk) nicht mehr zeitgemäß, von MitarbeiterInnen vor allem eine Anwesenheit „Nine-to-five“ zu erwarten. Es geht vielmehr darum, dass die übertragenen Aufgaben erledigt werden, in welchem Zeitraum und an welchem Ort, ist zweitrangig.

Führungskräfte müssen ihren MitarbeiterInnen daher mehr Freiheiten einräumen, um ihre intrinsische Motivation zu steigern. Gerade weil Beschäftigte schwerer greifbar sind, ist es wichtig, dass sie aus sich selbst heraus bereit sind, sich besonders zu engagieren. Ein partizipatives Führungsmodell, bei denen der Chef:in die Mitarbeiter:innen sprechen lässt, ihren Ideen Raum gibt und sie in Entscheidungsprozesse integriert, gibt den Beschäftigten nicht nur das Gefühl, Einfluss zu nehmen, sondern überträgt ihnen konkrete Verantwortung dafür.

 

2. Zuhören

In der digitalen Kommunikation kommen Emotionen häufig zu kurz. Es ist weitaus schwieriger, den Gemütszustand von MitarbeiterInnen zu deuten, wenn man sie über den Bildschirm sieht, als wenn man im direkten Austausch ist. Umso wichtiger ist es, gerade im Zeitalter flexibler Arbeitswelten genauer hinzuhören und zwischen den Zeilen zu lesen, um die Probleme, Sorgen und Wünsche im eigenen Team wahrnehmen und deuten zu können.

Führungskräfte sollten sich im Klaren darüber sein, dass der Mensch noch mehr in den Mittelpunkt der Führungskultur tritt, gerade weil Privates und Berufliches zunehmend verschwimmen. Hier gilt es auch, die Mitarbeiter:innen sehr individuell zu beurteilen und die Führung entsprechend anzupassen.

 

3. Transparenz

Führung aus dem Homeoffice ins Homeoffice bringt besondere Anforderungen an die Kommunikation, aber auch an die Transparenz mit sich, die die Chef:inin vorleben sollte. Führungskräfte sollten jederzeit ansprechbar sein und bei Fragen und Problemen wirkliche Unterstützung bieten. Der regelmäßige Austausch über die fachlichen Themen, aber auch darüber hinaus ist eine zentrale Komponente, um das Wohlbefinden und damit auch die Leistungsfähigkeit der MitarbeiterInnen im Sinne des Unternehmens zu gewährleisten. Zudem braucht es eine maximale Transparenz über Aufgaben, Ziele, Tools und Informationen, die allen MitarbeiterInnen, unabhängig vom Arbeitsort, stets verfügbar gemacht werden sollten.

 

4. Coaching

Ein Chef:in muss sich stets auch als Trainer:in verstehen, und das ist in einem Transformationsprozess wie der Digitalisierung besonders wichtig. Die Führungskraft ist nicht nur Entscheider, sondern in dieser Rolle auch diejenige, die Potenziale erkennt und entwickelt, Konflikte löst, Themen moderiert, und zwar dauerhaft, nicht nur punktuell. Als Führungskraft sollten neue Ziele und Visionen dem Team transparent vermittelt werden und sollten MitarbeiterInnen in ihren Fähigkeiten individuell entwickelt werden, um die neuen Herausforderungen der digitalen Welt meistern zu können.

Beispiel Marketing

Ein gutes Beispiel für eine digitale Transformation ist die Marketingabteilung moderner Unternehmen. In vielen Betrieben befindet sich das Marketing immer noch in einem überwiegend operativen Stadium, in dem es um die Produktion von Inhalten, um die Strukturierung und Planung von Messen, um die Aussteuerung von Kampagnen oder um die Erstellung von Vertriebsmaterialien geht. Doch sind große Teile dieser Aufgaben heute durch moderne Tools und smarte Prozesse automatisierter umsetzbar als früher. Wer das nicht erkennt, setzt die vorhandenen Mittel und Ressourcen falsch ein. Das ist keineswegs ein Aufruf zu Entlassungen; vielmehr geht es darum, als Führungskraft die Potenziale der Digitalisierung zu erkennen und die freigewordenen Ressourcen effektiv einzusetzen. Im Fall der beschriebenen Marketingabteilung müssten operative Ressourcen künftig stärker strategisch eingesetzt werden.

Digitalisierung ist kein Sprint, es ist ein Marathon, oder noch besser: Es ist ein dauerhafter Prozess, der Unternehmen nicht mehr loslassen wird. Deshalb geht es hier nicht allein um die richtige Software, die cleversten Tools, sondern vor allem um Haltung. Wer sich der Digitalisierung stellt, ihre Stärken nutzt, der wird davon profitieren.

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Nicolas Wandschneider ist Geschäftsführer der Cloudbridge Consulting GmbH mit Sitz in München.