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Mit Zukunftsbildern gelingt der Sprung nach vorn

„Am Ende wird die Zukunft so sein, wie wir sie heute gestalten,“ sagt die Futurologin Amy Webb. Zukunftsbilder sind dafür das Mittel der Wahl
Anne M. Schüller | 15.04.2024
Mit Zukunftsbildern gelingt der Sprung nach vorn © Freepik / DCStudio
 

Viele Unternehmen plagt kognitive Zukunftskurzsichtigkeit. Für sie klingt Zukunft nach irgendwann. „Dafür haben wir jetzt keine Zeit“, heißt es zum Beispiel, „das nächste Quartal steht vor der Tür, und die Zukunft läuft uns ja nicht davon.“ Reaktiv befasst man sich dort beinahe nur noch mit dem, was gerade ansteht, arbeitet immer am Anschlag - und neuartige Innovationen ziehen an ihnen vorbei. Wie kann das sein?

Man war doch blendend aufgestellt! Und nun „auf einmal“ ist es – Überraschung – zu spät. Zukunftstechnologien kommen „plötzlich“, nun fehlen „unerwarteterweise“ die nötigen Fachkräfte und Weiterbildungskonzepte. Irgendwie ist man immer hintendran. Die Adaptionsspanne sinkt, und der Stress steigt. Während draußen alles immer schneller läuft, laufen die Unternehmen allem immer mehr hinterher.

Besser wäre es wohl, Bedrohungen zu erkennen, wenn sie noch klein sind, und Chancen zu nutzen, solange sie groß und von anderen noch nicht entdeckt worden sind. Der Erfolg von gestern sagt rein gar nichts über den Erfolg von morgen. Und „später“ ist meistens zu spät. Nur durch kontinuierliches, wildes, kühnes, proaktives Weiterdenken und Vorwärtshandeln schafft es ein Unternehmen, sich fit für die Zukunft zu machen. Wie das gelingt? Indem wir uns frühzeitig mit Zukunftsthemen befassen.

Liebe Zukunft, was hast du also für uns parat?

Die erste Frage, wenn es darum geht, eine zukunftsfähige Geschäftsstrategie zu entwickeln, ist die, wie wir in Zukunft leben und arbeiten werden. Indem wir frühzeitig Hypothesen erstellen für eine Zeit, die noch nicht da ist, kann es glücken, Szenarien zu erkennen, die für uns maßgeblich werden. Erst dann können wir heute beginnen, uns darauf vorzubereiten und in diese Zukunft steuern.

Szenarien sind keine Prognosen, sondern spekulative Zukunftsbilder. Mit ihrer Hilfe können wir gefahrlos Ausflüge in die Zukunft simulieren. Sie sind keine Utopien, sondern wollen plausible Wege vom Heute ins Übermorgen aufzeigen. Solange Szenarien noch Zukünfte sind, können wir uns darauf einstimmen, potenzielle Chancen früh ergreifen, etwaige Risiken antizipieren und über wünschenswerte Varianten vorausschauend debattieren.

Indem wir uns intensiv mit Zukunftsthemen befassen, springen wir raus aus der Filterblase subjektiver Wahrnehmungen und erkennen Gesamtzusammenhänge. So kann es gelingen, auf die Zukunft Einfluss zu nehmen und ihren Lauf schöpferisch mitzugestalten. Zudem hat man so Optionen zur Hand, um im Ernstfall sehr zügig ins Handeln zu kommen, während andere noch in Schockstarre sind.

Schlusslicht oder First Mover, wer wollen Sie sein?

Viele Unternehmen versuchen krampfhaft, zu schützen, was sie besitzen - und genau das macht sie verwundbar. So treffe ich regelmäßig bei meinen Vortragsreisen auf Verantwortliche, die mir Vorgaben machen wollen, was ich alles nicht ansprechen soll, „weil der CEO das nicht hören will.“ Führungskräfte berichten mir, dass ihre Loyalität infrage gestellt wird, wenn sie vor kritischen Entwicklungen oder möglichen Disruptoren von außen warnen.

Ein Vertriebsleiter erzählte mir, dass er um ein Haar gefeuert worden wäre, weil er vor globalen Lieferengpässen warnte und deshalb die Umsatzzielzahlen revidieren wollte. Seitdem ist er still und macht Dienst nach Vorschrift, um seine Karriere zu retten. Ein anderer wollte mich anheuern, um die Verkäufer zu Höchstleistungen anzuspornen. Das veraltete Produkt hingegen, das sie verkaufen sollten, das aber am Markt längst nicht mehr ankam, wurde nicht auf den Prüfstand gestellt, „weil der Chef es noch immer für gut befand“. Kritik an seiner Denke betrachtete man dort als Sakrileg.

Unternehmen, in denen man vor unliebsamen Themen einfach die Augen verschließt, gibt es viele. Spricht man sie auf ihre veralteten Technologien an, kontern sie mit dem Verlust von Arbeitsplätzen. Dass sie wegen überholter Geschäftsmodelle, Strukturen und Prozesse komplett vom Markt verschwinden können, wird tabuisiert. Damit Sie kein solches Schicksal erleiden: Starten Sie eine Zukunftswerkstatt, Ihr Future Lab.

Zukunftsfit? Starten Sie Ihr eigenes Future Lab

Die Suche nach zukünftigen Wachstumsfeldern kann gar nicht früh genug beginnen. Wer sich rechtzeitig auf eine Zukunft vorbereitet, die kommen kann, ist besser gerüstet für die, die dann tatsächlich kommt. Simulierte Reisen in die Zukunft und wieder zurück gewähren Einblicke in denkbare Entwicklungen im Umfeld des Unternehmens und seines Geschäftszwecks. Die Verantwortlichen bekommen ein besseres Gefühl für Machbarkeiten, können flugs Anpassungen vornehmen, mit Bedacht Weichen stellen und müssen seltener auf unerwartete Ereignisse reagieren. Stehen Entscheidungen an, können sie auf Vorgedachtes zurückgreifen sowie schneller und umsichtiger handeln.

Externe sind exzellente Sparringspartner in diesem Prozess. Sie kennen keine Skrupel. Sie brauchen auf Animositäten keine Rücksicht zu nehmen. Sie müssen nicht mit Repressalien rechnen. Bei Beharrungstendenzen bieten sie knallhart Paroli. So werden die Führenden - denen man intern eher selten glasklar widerspricht - nun inhaltlich herausgefordert von Menschen, die andere Sichtweisen haben und sich anders an eine Aufgabe machen. Dies sorgt für eine Horizonterweiterung und Frischzellenkur, für Blutauffrischung und Überkreuzbefruchtung - und führt zu neuen Handlungsoptionen. Genau das macht Wettbewerbsvorsprünge dann sehr wahrscheinlich.

In 10 Schritten zu Szenarien und Zukunftsbildern

Wer eine Future Journey, die Reise in die Zukunft des Unternehmens entwickeln und passende Zukunftsstrategien daraus ableiten will, wählt die Szenarioplanung. Die eine Langzeitstrategie, die früher aufgestellt und von allerlei Wunschdenken begleitet war, ist in sich permanent wandelnden, komplexen Zeiten mit exponentieller Entwicklung nicht länger brauchbar. Deshalb ist es besser, Prognosen für verschiedene mögliche Zukünfte anzustellen und auf dieser Basis mehrere Szenarien zu entwerfen.

Ziel der Szenarioplanung ist es nicht, exakte Vorhersagen für die Zukunft zu machen. Man verknüpft vielmehr bereits bekannte Trends mit mutmaßlichen Einflussfaktoren in Bezug auf Arbeitsmarkt, Wirtschaft, Technologie, Umwelt, Politik, Gesellschaft und Kundenverhalten. Im Ergebnis geht es um eine differenzierte Sicht auf mögliche Zukünfte sowie um die Handlungsfelder, die das Unternehmen daraus ableiten will und kann. Das bringt alle Beteiligten dazu, frühzeitig zu planen und vornedran zu sein.

Um ein Future Lab in Gang zu bringen, empfehle ich folgende Schritte:

 

1. Future Team zusammenstellen

2. Eine Ausgangsfrage formulieren

3. Die Zielzeitachse bestimmen

4. Maßgebliche Trends erforschen

5. Veränderungskräfte identifizieren

6. Mögliche Szenarien entwickeln

7. Future Personas konzipieren

8. Passende Handlungsfelder fixieren

9. Die Zukunftsstrategie definieren

10. Umsetzungspläne initiieren

 

Wie das ganz genau funktioniert, steht in meinem neuen Buch „Zukunft meistern“.

Cover of Zukunft meistern: Das Trend- und Toolbook für Übermorgengestalter

Die neuen Märkte der Zukunft: verstehen und mitgestalten

Verlag: Gabal Verlag
2024, 224 Seiten, 29,90 Euro ISBN: 978-396739181

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Anne M. Schüller: Keynote-Speaker, Bestsellerautorin, Businesscoach. Führende Expertin für Touchpoint Management. Neues Buch: Die Orbit-Organisation