Der multioptionale Kunde im Web
Dieser Fachartikel erschien im Leitfaden Online-Marketing
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Vom Laborexperiment zum Alltagsbestandteil von hunderten Millionen von Menschen binnen knapp fünfzehn Jahren: Kein anderes Medium, keine andere technische Innovation hat sich so rasant verbreitet wie das World Wide Web. Ob in der kalifornischen Bay Area oder im Hochland der Anden – das Internet hält, was sich seine Entwickler einst von ihrer Vision versprachen: Informationszugang jederzeit und überall. Es gilt als Modellfall der positiven Rückkopplung zwischen technischer Entwicklung einerseits und wachsender Verbreitung und Nutzung andererseits. Die technischen Möglichkeiten boten früh Anreiz zur Nutzung, die entsprechend rasch anwuchs und ihrerseits weitere Innovationen befeuerte, die dann wiederum zu einer stärkeren Nutzung führten. Ein ideales sich selbst verstärkendes System, das – und hier gilt ein zweites Modell – vor allem dank sogenannter Netzeffekte so überaus schnell Raum greifen konnte. Netzeffekte werden dann positiv wirksam, wenn in einem vernetzten System wie Telefon, Fax oder eben Internet jeder weitere Nutzer zur Erweiterung des Netzes führt und dadurch den Wert desselben steigert - beim Internet inzwischen ins Unermessliche.
Entwicklung der Internetnutzung im Zehnjahresvergleich
Die einmalige Karriere des Internet von einer Nischenanwendung zum Massenphänomen lässt sich hingegen besser nachvollziehen als sein Wert – und verdeutlicht diesen zugleich. Einige wenige Kennzahlen im Zehnjahresvergleich für Deutschland sollen genügen, um die Entwicklung der Internetnutzung zu skizzieren und das eingangs Gesagte zu belegen. 1996 betrug der Anteil der Internetnutzer hierzulande knapp 5 Prozent [1]. Die am stärksten vertretenen Altersgruppen waren die 20- bis 39-Jährigen. Die Nutzung erfolgte größtenteils am Arbeitsplatz beziehungsweise aus Universitäten heraus. Kurz: Das Internet war eine Domäne junger, besser gebildeter Männer. Ein ganz anderes Bild bietet sich heute. Inzwischen sind mehr als zwei Drittel der Deutschen im Netz. Die größte Abdeckung erreicht das Internet in der Altersgruppe der 14- bis 19-Jährigen. Hier sind mehr als 96 Prozent online. Umgekehrt sind jedoch bereits knapp ein Viertel der Generation 50+ regelmäßig im Netz. Zugleich stellen sie das am stärksten wachsende Segment. Genutzt wird das Internet inzwischen sowohl zu Hause als auch beruflich. Und endlich haben die Frauen bei der Nutzung gleichgezogen [2].
Ein wesentlicher Treiber für die Verbreitung des Internet war die Ausstattung der Haushalte mit PCs. Hier hinkte Deutschland Mitte der Neunziger Jahre insbesondere den nördlichen Industriestaaten deutlich hinterher. 1996 stand in weniger als zwanzig Prozent der deutschen Haushalte ein Computer, während man sich in den USA bereits jenseits der 25 Prozent befand. Flugs folgerten findige Statistiker, dass die Onlineabdeckung in Deutschland ab der Jahrtausendwende bei maximal einem Drittel verharren würde. Es gäbe – so ihre Prognose – schlicht zu wenige Rechner in deutschen Wohnungen. Dabei hatten die Auguren ihre Rechnung allerdings ohne die Nutzer gemacht. Was sie nicht ahnen konnten: Ende der 1990er-Jahre, die Dotcom-Blase wurde von den Medien gerade mächtig aufgepumpt, war das Internet in aller Munde und hatte einen derartigen Sex Appeal, dass es zum maßgeblichen Anschaffungsgrund für einen Computer wurde. Die Tatsache, dass Aldi und später weitere Discounter begannen, Rechner zu verkaufen, tat ihr Übriges. Heute steht in sieben von zehn deutschen Haushalten mindestens ein PC. Eine Quote, die noch vor zehn Jahren als unvorstellbar galt [3].
Entsprechend hat sich die Onlinenutzungsdauer entwickelt. 1996 betrug sie am Tag durchschnittlich nur einige wenige Minuten. Heute nähert sie sich anderthalb Stunden – und stößt somit in Bereiche anderer elektronischer Medien wie Hörfunk und Fernsehen vor. Was zugleich bedeutet, dass die Internetnutzung die Zeitungs- und Zeitschriftenlektüre hinter sich gelassen hat. Zwar ist die Online-Nutzungsdauer in ihrem dynamischen Zuwachs beachtlich und gerade im Kontext Mediennutzung bemerkenswert. Jedoch führt eine rein quantitative der übrigen Interaktionsmöglichkeiten des Betrachtung nicht weiter, da gerade die mit den Web verbundenen qualitativen Aspekte entscheidend sind.
Genau hier – bei der Art der Nutzung – liegt auch das weitere Entwicklungspotenzial des Netzes. Die Wachstumskurve der Verbreitung des Internet hat sich stark abgeschwächt und verläuft nur noch sehr flach. Denn inzwischen ist beinahe jeder, für den das Internet privat oder beruflich bedeutsam ist, online. Umgekehrt betrachtet: Wer heute noch keinen Internetzugang hat, kann oder will sich diesen entweder nicht leisten oder hat schlicht kein Interesse daran. Die Konsequenzen einer Situation, in der langfristig rund ein Viertel der Deutschen von einer wesentlichen Meinungsbildung und auch des Wirtschaftslebens Quelle der Information, abgeschnitten sind, sollen an dieser Stelle nicht erörtert werden. Daher nur der Hinweis, dass ein Blick auf die gesellschaftlichen Kreisen Sinus-Milieus genügt, um zu erkennen, in welchen das Internet intensiv genutzt wird und in welchen Schichten es nur rudimentär verbreitet ist. Beim Fernsehen ist diese Spreizung übrigens weitaus geringer [4].
Qualitative Aspekte der Internetnutzung: Der Online-Funktions-Mix
Zwar wird das Web häufig als Bildschirmmedium bezeichnet und gerne in seiner Nutzung mit dem anderen kulturell prägenden Bildschirmmedium Fernsehen verglichen. Doch bereits der Begriff des Mediums beschreibt das Internet mehr als unzureichend. Sicherlich bietet das Internet „mediale“ Qualitäten – nicht zuletzt eignet es sich hervorragend, die Inhalte klassischer Print- oder elektronischer Medien aufzunehmen und durch eigene Medienformate, wie zum Beispiel Podcast, zu ergänzen Doch anders als traditionelle „Lean Back-Medien“, die redaktionell bearbeitete Inhalte zur massenhaften Rezeption in vorgegebenen Raum-/Zeitformaten bereitstellen, lösen sich das Web und seine Inhalte von diesen Angebots- und Nutzungsmustern. Bekanntlich bleibt es im Netz dem Nutzer überlassen, wo, wann und in welchem Umfang er Inhalte aktiv abruft, was fachlich als „Lean Forward“ bezeichnet wird. Neben dieser Orts- und Zeit-Ungebundenheit bietet das Internet die für Medien einmalige und schließlich auch den Medienbegriff sprengende Möglichkeit, auf inhaltliche oder funktionale Angebote unmittelbar und ohne Medienbruch zu reagieren.
Idealtypisch stellt das Web den Nutzern einen vierstufigen Funktions-Mix bereit. Mit jeder Stufe steigt der Grad der Interaktion und das Involvement. Den Ausgangspunkt Informationsfunktion. Die betreffende der Onlinenutzung bildet demnach die Information kann redaktionell, wie zum Beispiel bei einer News-Website, oder algorithmisch aus Datenbanken abgerufen werden. Ein Beispiel hierfür sind die Ergebnisse einer Informationsanfrage wie etwa bei Google. Gerade das Beispiel Wertschöpfung bereits auf der ersten Stufe des Funktions-Google zeigt, welche Mix aus der aktiven Nutzung entstehen kann. Viel aktueller, direkter und genauer als es klassische Medien oder Informationsdienste zu leisten imstande sind, können die aktiv von den Nutzern geäußerten Informationsbedürfnisse, hier Suchanfragen, bedient werden – sowohl von Google als auch von seinen Werbepartnern. Das macht diese Suchmaschine zur mächtigsten Direktmarketingplattform weltweit. Wenig verwunderlich, dass deutsche Internetnutzer Google als erste Anlaufstelle nennen und nutzen, wenn es um die aktive Informationssuche geht.
Die zweite Stufe des Online-Funktions-Mix bildet die Kommunikation, also das Nutzen von E-Mail, Formularen, Foren oder Chats. Das Internet ermöglicht es den Nutzern – nicht erst in Zeiten des Web 2.0 – unmittelbar miteinander oder mit den Anbietern von Informationen, Produkten oder Dienstleistungen in einen Dialog zu treten. Entscheidend ist hierbei, dass es sich bei dieser Form der Kommunikation tatsächlich um einen Austausch handelt. Das Kommunikationsverständnis entspricht daher nicht dem der Massenmedien oder der über sie verbreiteten klassischen „Marktkommunikation“. Dort bedeutet Kommunikation, dass die breit gestreuten Botschaften eines Senders lediglich bei der Zielgruppe ankommen. Die starke Verbreitung und Nutzung von E-Mail zeigt, wie schnell sich das dialogische, netzbasierte Kommunikationsverständnis durchgesetzt hat. Erleichtert wird dies dadurch, dass E-Mail inzwischen vielerorts auch für den Austausch innerhalb von Familien genutzt wird. Häufig sind alle Generationen online.
Die dritte Stufe im Funktions-Mix nimmt die Transaktion ein, also der Erwerb von Produkten oder Dienstleistungen über das Netz. Auf dieser Stufe wird vielleicht am deutlichsten, wie weit das Internet von einem klassischen Medium entfernt ist. Vielmehr agiert es als Medium und Marktplatz zugleich, in dem der Nutzer mit wenigen Klicks von der Information zur Bestellung gelangen kann – und zwar unter Wahrung größtmöglicher Freiheitsgrade was Anbieterwahl, Produktauswahl, Preisvergleich, Zeitpunkt der Transaktion und weitere Faktoren angeht. Anders wäre es wohl nicht denkbar, dass ein Händler wie Amazon binnen einer Dekade 20 Millionen Deutsche zu seinen Kunden zählen kann.
Von Amazon ist es nur noch ein kleiner Schritt zur vierten Stufe des Online-Funktions-Mix: der Kooperation. Diese Zusammenarbeit des Nutzers mit einem Onlineanbieter kann sich vielfältig äußern. Bei Amazon ist es beispielsweise die Rezension von Produkten, bei eBay ist es die Bewertung von Verkäufern. Beide Kooperationen haben eines gemein. Sie erhöhen den Nutzen der Plattform für andere Nutzer. Sie bieten Orientierung und Vertrauen. Sie schaffen Wert. Wert, den die Nutzer und Kunden von Amazon und eBay für sich verbuchen können – und in dem sich manifestiert, wie gut es ihnen gelingt, ihre Kunden an sich zu binden, sie einzubinden und für sich arbeiten zu lassen.
Die vier Stufen des Online-Funktions-Mix belegen, welche Bedeutung die Inter-aktion bei der Nutzung des Internet hat. Sie zeigen zudem, welch entscheidende Rolle vom Nutzer bereitgestellte Inhalte, neudeutsch „User Generated Content”, bei der Ausgestaltung erfolgreicher, netzgestützter Geschäftsmodelle spielt. Amazon, eBay und Google haben dies früh verstanden. Viel zu früh, als dass man bereits von Web 2.0 hätte sprechen können.
Online-Sozialisation
Das World Wide Web hat sich bereits wenige Jahre nach Beginn seiner Alltagsrelevanz ist derart hoch, die kommerziellen Nutzung durchgesetzt. Seine „kritische Masse” sinnvoller Anwendungen und regelmäßiger Anwender so groß, dass es aus dem privaten, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben nicht mehr wegzudenken ist. Diese rasante Entwicklung von der Trendsetter-Technologie zum Mainstream-„Medium“ ist – wie eingangs erwähnt – einerseits auf positive Netzeffekte zurückzuführen, andererseits auf die gegenseitige Befruchtung von Nutzung und technischer Innovation. Der letztgenannte Zusammenhang wird im Lichte des zuvor dargelegten Online-Funktions-Mix deutlicher. Im Laufe der Nutzung des Internet erfährt ein Nutzer eine prototypische „Online-Sozialisation“. Beim Internet-Novizen steht der Wunsch nach Orientierung im Vordergrund. Dies geschieht entweder in Form ungezielter Entdeckungsreisen durch surfen im Netz oder mittels gezielter Suche. Die Informationsfunktion ist in der Regel die erste Entwicklungsstufe vom Netz-Laien zum versierten Nutzer.
Die zweite Stufe wird meistens durch die erste Onlinekommunikation gemeistert. Manch einer kann sich an das erhebende Gefühl erinnern, wenn man auf die erste verschickte E-Mail tatsächlich eine Antwort erhielt. In diesem Moment vermochte man noch nicht zu ermessen, wie profan dieser Vorgang bald darauf anmuten würde. Eine kritische Schwelle, für viele gar eine Hürde, in der „Internet-Initiation“ ist die erste Onlinebestellung. Erstmals überschreitet die Internetnutzung die Grenze vom digitalen und hinein ins materiell-analoge Leben. Es geht um Produkte, es geht um Geld. Es geht ums Ganze! Nur wenn der Nutzer bis dato genügend Vertrauen in Vertrauenslücke das Netz aufbauen konnte oder der Transaktionspartner die letzte durch seinen guten Namen und einen entsprechenden Internetauftritt überbrücken kann, wird der Online-Nutzer auch zum Online-Käufer. Es muss an dieser Stelle kaum erwähnt werden, dass beileibe nicht jeder Deutsche mit Internetzugang dem E-Commerce aufgeschlossen gegenübersteht. Jeweils mehr als 20 Millionen versierte Amazon- und eBay-Kunden vertrauen jedoch der digitalen Transaktion – und täglich werden es mehr.
Entsprechend hat sich auch das Angebot im Internet gewandelt. Herrschte Mitte der neunziger Jahre noch sogenannte Brochureware, also uninspirierte und wenig interaktive Produktinformation, im Web vor, so entwickelten sich die Webseiten schnell zu leistungsfähigen Gebilden komplexer Informationsarchitektur, die vielfältige Funktionalitäten bündelten und in Internetangeboten bis dato ungekannter Informationstiefe und -breite zusammenführten. Inzwischen wird mehr als lediglich interaktiv erschließbare Information geboten: Moderne Webseiten decken immer häufiger den kompletten Funktions-Vierklang des Internet ab.
Festzuhalten bleibt, dass die Schwellen, die ein Onlinenutzer bewusst oder unbewusst auf dem Weg zur alltäglichen und umfassenden Internetnutzung nimmt, durchaus prägend sind und somit nach und nach in den Alltag des Nutzers eingreifen. Ein entscheidender Faktor ist hierbei, dass die im Netz gesammelten Erfahrungen die individuellen Erwartungen an die Funktionsweise und Leistungsfähigkeit von Erwartungshaltung des Nutzers Web-Angeboten bedingen. Die sich aufbauende ist dabei angebots- und kanalübergeifend. Das heißt, die Erfahrungswerte, die ein Nutzer mit einer Transaktions-Website gesammelt hat, werden auf eine andere übertragen und bestimmte gelernte Funktionalitäten dort vorausgesetzt.
Onlinenutzung prägt Kundenerwartungen
Doch das ist noch nicht alles. Das Web strahlt zunehmend in den nicht-digitalen All-tag ab. So zeigt sich immer häufiger, dass Menschen Erfahrungen, die sie aufgrund der Nutzung des Webs als dem einen Kanal gesammelt haben, auf einen anderen Kanal, zum Beispiel der Filiale, projizieren – oftmals ungeachtet dessen spezifischen technischen und organisatorischen Limitationen. Dies lässt sich recht gut am Beispiel der Kontoführung illustrieren. Den deutschen Banken war es in den 90er-Jahren gelungen, den Kundenservice deutlich zu verbessern, ohne die oftmals nahezu restriktiven Filialöffnungszeiten auszudehnen. Dies gelang zum einen mittels der flächendeckenden Bereitstellung von Geldautomaten und Konto-Auszugsdruckern. Zum anderen durch die Einführung von Onlinebanking-Angeboten. Die digitale Verwaltung des eigenen Kontos im Rahmen eines Online-Self-Service-Konzeptes stellte eine deutliche Verbesserung des Kundenservice bei gleichzeitiger Prozess-kostensenkung dar. Der einstmals innovative Zusatznutzen des allzeitigen Kontozugriffs gehörte bald zu der vom Kunden erwarteten Grundausstattung der Geschäftsbeziehung. Onlinebanking wurde zum Alltagsprodukt. Über die Zeit prägte die Erfahrung der permanenten und unmittelbaren Zugriffs- und Transaktionsmöglichkeit die Erwartungshaltung des Bankkunden. Eine Erwartungs-haltung, die mit der Alltagserfahrung in der Filiale des Geldinstituts kollidiert. Ist es der Kunde gewohnt, seine Bankgeschäfte in Sekundenschnelle abzuwickeln, so muss er – wenn er ausnahmsweise die Filiale aufsucht – am Schalter häufig mehrere Minuten warten. Ein Umstand, der von manchem als ebensolcher empfunden wird. Erschwerend kommt hinzu, dass die Wartezeit im Gegensatz zum interaktiv steuerbaren Onlinebanking nicht kalkulierbar ist. Oftmals reicht ein einzelner Kunde mit einem diffizilen Geschäftsvorfall, um die kapitalistische Wartegemeinschaft an den Rand des emotionalen Ausnahmezustands zu bringen. Das Serviceprinzip der „Instant Gratification“, der sofortigen Wunscherfüllung, das über die Nutzung des Onlinekanals aufgebaut und verfestigt wurde, kann offline nicht aufrecht erhalten werden. Einige Geldinstitute reagieren bereits auf die neuen Ansprüche ihrer Serviceerlebnis in der Filiale kanalisieren, so netzaffinen Klientel, indem sie das dass einfache Transaktionen schnell bearbeitet werden können.
Der multioptionale Kunde
Die gestiegenen Erwartungen und Ansprüche der Kunden Individualisierung, Mobilität, äußern sich im gewachsenen Bedürfnis nach Selbstbestimmung. Gepaart Convenience und mit einer durch den Einsatz neuer Informations- und Kommunikationstechnologien gestiegenen Markttransparenz ergibt sich ein erhöhtes Anspruchsdenken an Produkte und Dienstleistungen, bei dem der Kunde in Abhängigkeit von seinem individuellen Lebensstil und seinen situativen Bedingungen spezifische Konsum- und Interaktionsmöglichkeiten erwartet. Preis-, convenience-, erlebnis- oder zweckorientierte Einkaufswege und -gelegenheiten werden dabei parallel genutzt. So erwarten Kunden heutzutage, dass sie frei wählen können, über welchen Kanal sie sich über ein Produkt informieren können, über welchen Kanal sie mit einem Unternehmen in Kontakt treten wollen und über welchen Kanal sie ein Produkt erwerben oder auch umtauschen möchten.
Fachleute sprechen von multioptionalen oder hybriden Kunden, die sich ihren individuellen Kanal-Mix für jede Kaufentscheidung und -ausführung neu zusammenstellen. Ihr Anteil wird zwischen 35 und 70 Prozent beziffert – Tendenz steigend [5].
Dies tritt besonders bei jenen Kunden zutage, die aktive Onlinenutzer sind. Laut einer Erhebung aus den USA kaufen 51 Prozent der Onlinenutzer ein Produkt offline, nachdem sie sich online darüber informiert haben. 40 Prozent bestellen das Produkt online, nachdem sie online die entsprechenden Informationen eingeholt haben. 9 Prozent kaufen das Produkt online, nachdem sie sich offline informiert haben [6]. Die Kunden betätigen sich also während des Kaufprozesses als „Channel Hopper“.
Internet befeuert den Prozesswettbewerb
Jede wahrgenommene Verbesserung der Kundenbeziehung steigert demnach die Erwartungshaltung des Kunden und erhöht die Anforderungen an das Unternehmen Anspruchsspirale entsteht. Die Beherrschung von ihr zu entsprechen. Eine Kommunikations- und Serviceprozessen in den angebotenen Ansprache-, Vertriebs- und Servicekanälen wird in den Augen des Kunden immer wichtiger. Das Management von Kundenprozessen wird zur Messlatte. Es entsteht ein neuartiger Prozesswettbewerb [7]. Überspitzt formuliert: nach der „Aldisierung“ folgt die Amazonisierung“. „
Denn modernes Marketing heißt, den Kunden mit Hilfe von digitalen Interaktions-kanälen und Dialogangeboten in Unternehmensabläufe einzubeziehen. Der Kunde wird sich jenen Unternehmen zuwenden, die ihre Abläufe kundenorientiert gestalten und ihm dadurch Mehrwert schaffen. Dieser kann sich materiell und in Kosten-/Nutzen-Dimensionen, wie zum Beispiel Zeitersparnis, manifestieren oder er kann immaterieller Natur sein, etwa in Form von Markenerlebnissen oder Markenidentifikation. Unabhängig von der Form des Mehrwertes, ist der vom wahrgenommene Prozessnutzen der erfolgsentscheidende Faktor. Kunden
Wie sehr wir hierbei in Deutschland noch am Anfang der Entwicklung stehen, sollte eine Frage verdeutlichen: Wann sind Sie zuletzt an der Kasse eines Geschäfts nach Ihrer E-Mail-Adresse gefragt worden? Noch nie? In den USA ist dies bereits praktizierter Multichannel-Standard. Hierzulande verteilt man lieber Rabattmarken, als den Kunden digital zu binden und zu incentivieren.
Literatur
[1] B. Van Eimeren, E. Oehmichen, C. Schröter: ARD-Online-Studie 1997. Onlinenutzung in Deutschland. Nutzung und Bewertung der Onlineangebote von Radio- und Fernsehsendern. - In: Media Perspektiven, Seite 548ff, 09/97.
[2] ARD/ZDF-Online-Studie 2006, http://www.br-online.de/br-intern/medienforschung/onlinenutzung/onlinestudie/
[3] Statistisches Bundesamt 2007.
[4] Sinus 2006.
[5] Klaus Eierhoff: Medienprodukte über alle Kanäle für mehr Kunden - die Click-and-Mortar-Strategie der Bertelsmann AG. - In: Marcus Schögel et al.: (Hrsg): Roadmap to E-Business. - S. 344-360, ISBN: 3478252806, Moderne Industrie, 2002.
[6] ebenda S. 347.
[7] Christian Bachem: Prozesswettbewerb als neue Dimension im Marketingorientierten (E-) Business. - In: G. Peters: Arbeitspapiere zur AfM-Tagung ‘E-Business’. – Eberswalde, FH Eberswalde, 2004.
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Vom Laborexperiment zum Alltagsbestandteil von hunderten Millionen von Menschen binnen knapp fünfzehn Jahren: Kein anderes Medium, keine andere technische Innovation hat sich so rasant verbreitet wie das World Wide Web. Ob in der kalifornischen Bay Area oder im Hochland der Anden – das Internet hält, was sich seine Entwickler einst von ihrer Vision versprachen: Informationszugang jederzeit und überall. Es gilt als Modellfall der positiven Rückkopplung zwischen technischer Entwicklung einerseits und wachsender Verbreitung und Nutzung andererseits. Die technischen Möglichkeiten boten früh Anreiz zur Nutzung, die entsprechend rasch anwuchs und ihrerseits weitere Innovationen befeuerte, die dann wiederum zu einer stärkeren Nutzung führten. Ein ideales sich selbst verstärkendes System, das – und hier gilt ein zweites Modell – vor allem dank sogenannter Netzeffekte so überaus schnell Raum greifen konnte. Netzeffekte werden dann positiv wirksam, wenn in einem vernetzten System wie Telefon, Fax oder eben Internet jeder weitere Nutzer zur Erweiterung des Netzes führt und dadurch den Wert desselben steigert - beim Internet inzwischen ins Unermessliche.
Entwicklung der Internetnutzung im Zehnjahresvergleich
Die einmalige Karriere des Internet von einer Nischenanwendung zum Massenphänomen lässt sich hingegen besser nachvollziehen als sein Wert – und verdeutlicht diesen zugleich. Einige wenige Kennzahlen im Zehnjahresvergleich für Deutschland sollen genügen, um die Entwicklung der Internetnutzung zu skizzieren und das eingangs Gesagte zu belegen. 1996 betrug der Anteil der Internetnutzer hierzulande knapp 5 Prozent [1]. Die am stärksten vertretenen Altersgruppen waren die 20- bis 39-Jährigen. Die Nutzung erfolgte größtenteils am Arbeitsplatz beziehungsweise aus Universitäten heraus. Kurz: Das Internet war eine Domäne junger, besser gebildeter Männer. Ein ganz anderes Bild bietet sich heute. Inzwischen sind mehr als zwei Drittel der Deutschen im Netz. Die größte Abdeckung erreicht das Internet in der Altersgruppe der 14- bis 19-Jährigen. Hier sind mehr als 96 Prozent online. Umgekehrt sind jedoch bereits knapp ein Viertel der Generation 50+ regelmäßig im Netz. Zugleich stellen sie das am stärksten wachsende Segment. Genutzt wird das Internet inzwischen sowohl zu Hause als auch beruflich. Und endlich haben die Frauen bei der Nutzung gleichgezogen [2].
Ein wesentlicher Treiber für die Verbreitung des Internet war die Ausstattung der Haushalte mit PCs. Hier hinkte Deutschland Mitte der Neunziger Jahre insbesondere den nördlichen Industriestaaten deutlich hinterher. 1996 stand in weniger als zwanzig Prozent der deutschen Haushalte ein Computer, während man sich in den USA bereits jenseits der 25 Prozent befand. Flugs folgerten findige Statistiker, dass die Onlineabdeckung in Deutschland ab der Jahrtausendwende bei maximal einem Drittel verharren würde. Es gäbe – so ihre Prognose – schlicht zu wenige Rechner in deutschen Wohnungen. Dabei hatten die Auguren ihre Rechnung allerdings ohne die Nutzer gemacht. Was sie nicht ahnen konnten: Ende der 1990er-Jahre, die Dotcom-Blase wurde von den Medien gerade mächtig aufgepumpt, war das Internet in aller Munde und hatte einen derartigen Sex Appeal, dass es zum maßgeblichen Anschaffungsgrund für einen Computer wurde. Die Tatsache, dass Aldi und später weitere Discounter begannen, Rechner zu verkaufen, tat ihr Übriges. Heute steht in sieben von zehn deutschen Haushalten mindestens ein PC. Eine Quote, die noch vor zehn Jahren als unvorstellbar galt [3].
Entsprechend hat sich die Onlinenutzungsdauer entwickelt. 1996 betrug sie am Tag durchschnittlich nur einige wenige Minuten. Heute nähert sie sich anderthalb Stunden – und stößt somit in Bereiche anderer elektronischer Medien wie Hörfunk und Fernsehen vor. Was zugleich bedeutet, dass die Internetnutzung die Zeitungs- und Zeitschriftenlektüre hinter sich gelassen hat. Zwar ist die Online-Nutzungsdauer in ihrem dynamischen Zuwachs beachtlich und gerade im Kontext Mediennutzung bemerkenswert. Jedoch führt eine rein quantitative der übrigen Interaktionsmöglichkeiten des Betrachtung nicht weiter, da gerade die mit den Web verbundenen qualitativen Aspekte entscheidend sind.
Genau hier – bei der Art der Nutzung – liegt auch das weitere Entwicklungspotenzial des Netzes. Die Wachstumskurve der Verbreitung des Internet hat sich stark abgeschwächt und verläuft nur noch sehr flach. Denn inzwischen ist beinahe jeder, für den das Internet privat oder beruflich bedeutsam ist, online. Umgekehrt betrachtet: Wer heute noch keinen Internetzugang hat, kann oder will sich diesen entweder nicht leisten oder hat schlicht kein Interesse daran. Die Konsequenzen einer Situation, in der langfristig rund ein Viertel der Deutschen von einer wesentlichen Meinungsbildung und auch des Wirtschaftslebens Quelle der Information, abgeschnitten sind, sollen an dieser Stelle nicht erörtert werden. Daher nur der Hinweis, dass ein Blick auf die gesellschaftlichen Kreisen Sinus-Milieus genügt, um zu erkennen, in welchen das Internet intensiv genutzt wird und in welchen Schichten es nur rudimentär verbreitet ist. Beim Fernsehen ist diese Spreizung übrigens weitaus geringer [4].
Qualitative Aspekte der Internetnutzung: Der Online-Funktions-Mix
Zwar wird das Web häufig als Bildschirmmedium bezeichnet und gerne in seiner Nutzung mit dem anderen kulturell prägenden Bildschirmmedium Fernsehen verglichen. Doch bereits der Begriff des Mediums beschreibt das Internet mehr als unzureichend. Sicherlich bietet das Internet „mediale“ Qualitäten – nicht zuletzt eignet es sich hervorragend, die Inhalte klassischer Print- oder elektronischer Medien aufzunehmen und durch eigene Medienformate, wie zum Beispiel Podcast, zu ergänzen Doch anders als traditionelle „Lean Back-Medien“, die redaktionell bearbeitete Inhalte zur massenhaften Rezeption in vorgegebenen Raum-/Zeitformaten bereitstellen, lösen sich das Web und seine Inhalte von diesen Angebots- und Nutzungsmustern. Bekanntlich bleibt es im Netz dem Nutzer überlassen, wo, wann und in welchem Umfang er Inhalte aktiv abruft, was fachlich als „Lean Forward“ bezeichnet wird. Neben dieser Orts- und Zeit-Ungebundenheit bietet das Internet die für Medien einmalige und schließlich auch den Medienbegriff sprengende Möglichkeit, auf inhaltliche oder funktionale Angebote unmittelbar und ohne Medienbruch zu reagieren.
Idealtypisch stellt das Web den Nutzern einen vierstufigen Funktions-Mix bereit. Mit jeder Stufe steigt der Grad der Interaktion und das Involvement. Den Ausgangspunkt Informationsfunktion. Die betreffende der Onlinenutzung bildet demnach die Information kann redaktionell, wie zum Beispiel bei einer News-Website, oder algorithmisch aus Datenbanken abgerufen werden. Ein Beispiel hierfür sind die Ergebnisse einer Informationsanfrage wie etwa bei Google. Gerade das Beispiel Wertschöpfung bereits auf der ersten Stufe des Funktions-Google zeigt, welche Mix aus der aktiven Nutzung entstehen kann. Viel aktueller, direkter und genauer als es klassische Medien oder Informationsdienste zu leisten imstande sind, können die aktiv von den Nutzern geäußerten Informationsbedürfnisse, hier Suchanfragen, bedient werden – sowohl von Google als auch von seinen Werbepartnern. Das macht diese Suchmaschine zur mächtigsten Direktmarketingplattform weltweit. Wenig verwunderlich, dass deutsche Internetnutzer Google als erste Anlaufstelle nennen und nutzen, wenn es um die aktive Informationssuche geht.
Die zweite Stufe des Online-Funktions-Mix bildet die Kommunikation, also das Nutzen von E-Mail, Formularen, Foren oder Chats. Das Internet ermöglicht es den Nutzern – nicht erst in Zeiten des Web 2.0 – unmittelbar miteinander oder mit den Anbietern von Informationen, Produkten oder Dienstleistungen in einen Dialog zu treten. Entscheidend ist hierbei, dass es sich bei dieser Form der Kommunikation tatsächlich um einen Austausch handelt. Das Kommunikationsverständnis entspricht daher nicht dem der Massenmedien oder der über sie verbreiteten klassischen „Marktkommunikation“. Dort bedeutet Kommunikation, dass die breit gestreuten Botschaften eines Senders lediglich bei der Zielgruppe ankommen. Die starke Verbreitung und Nutzung von E-Mail zeigt, wie schnell sich das dialogische, netzbasierte Kommunikationsverständnis durchgesetzt hat. Erleichtert wird dies dadurch, dass E-Mail inzwischen vielerorts auch für den Austausch innerhalb von Familien genutzt wird. Häufig sind alle Generationen online.
Die dritte Stufe im Funktions-Mix nimmt die Transaktion ein, also der Erwerb von Produkten oder Dienstleistungen über das Netz. Auf dieser Stufe wird vielleicht am deutlichsten, wie weit das Internet von einem klassischen Medium entfernt ist. Vielmehr agiert es als Medium und Marktplatz zugleich, in dem der Nutzer mit wenigen Klicks von der Information zur Bestellung gelangen kann – und zwar unter Wahrung größtmöglicher Freiheitsgrade was Anbieterwahl, Produktauswahl, Preisvergleich, Zeitpunkt der Transaktion und weitere Faktoren angeht. Anders wäre es wohl nicht denkbar, dass ein Händler wie Amazon binnen einer Dekade 20 Millionen Deutsche zu seinen Kunden zählen kann.
Von Amazon ist es nur noch ein kleiner Schritt zur vierten Stufe des Online-Funktions-Mix: der Kooperation. Diese Zusammenarbeit des Nutzers mit einem Onlineanbieter kann sich vielfältig äußern. Bei Amazon ist es beispielsweise die Rezension von Produkten, bei eBay ist es die Bewertung von Verkäufern. Beide Kooperationen haben eines gemein. Sie erhöhen den Nutzen der Plattform für andere Nutzer. Sie bieten Orientierung und Vertrauen. Sie schaffen Wert. Wert, den die Nutzer und Kunden von Amazon und eBay für sich verbuchen können – und in dem sich manifestiert, wie gut es ihnen gelingt, ihre Kunden an sich zu binden, sie einzubinden und für sich arbeiten zu lassen.
Die vier Stufen des Online-Funktions-Mix belegen, welche Bedeutung die Inter-aktion bei der Nutzung des Internet hat. Sie zeigen zudem, welch entscheidende Rolle vom Nutzer bereitgestellte Inhalte, neudeutsch „User Generated Content”, bei der Ausgestaltung erfolgreicher, netzgestützter Geschäftsmodelle spielt. Amazon, eBay und Google haben dies früh verstanden. Viel zu früh, als dass man bereits von Web 2.0 hätte sprechen können.
Online-Sozialisation
Das World Wide Web hat sich bereits wenige Jahre nach Beginn seiner Alltagsrelevanz ist derart hoch, die kommerziellen Nutzung durchgesetzt. Seine „kritische Masse” sinnvoller Anwendungen und regelmäßiger Anwender so groß, dass es aus dem privaten, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben nicht mehr wegzudenken ist. Diese rasante Entwicklung von der Trendsetter-Technologie zum Mainstream-„Medium“ ist – wie eingangs erwähnt – einerseits auf positive Netzeffekte zurückzuführen, andererseits auf die gegenseitige Befruchtung von Nutzung und technischer Innovation. Der letztgenannte Zusammenhang wird im Lichte des zuvor dargelegten Online-Funktions-Mix deutlicher. Im Laufe der Nutzung des Internet erfährt ein Nutzer eine prototypische „Online-Sozialisation“. Beim Internet-Novizen steht der Wunsch nach Orientierung im Vordergrund. Dies geschieht entweder in Form ungezielter Entdeckungsreisen durch surfen im Netz oder mittels gezielter Suche. Die Informationsfunktion ist in der Regel die erste Entwicklungsstufe vom Netz-Laien zum versierten Nutzer.
Die zweite Stufe wird meistens durch die erste Onlinekommunikation gemeistert. Manch einer kann sich an das erhebende Gefühl erinnern, wenn man auf die erste verschickte E-Mail tatsächlich eine Antwort erhielt. In diesem Moment vermochte man noch nicht zu ermessen, wie profan dieser Vorgang bald darauf anmuten würde. Eine kritische Schwelle, für viele gar eine Hürde, in der „Internet-Initiation“ ist die erste Onlinebestellung. Erstmals überschreitet die Internetnutzung die Grenze vom digitalen und hinein ins materiell-analoge Leben. Es geht um Produkte, es geht um Geld. Es geht ums Ganze! Nur wenn der Nutzer bis dato genügend Vertrauen in Vertrauenslücke das Netz aufbauen konnte oder der Transaktionspartner die letzte durch seinen guten Namen und einen entsprechenden Internetauftritt überbrücken kann, wird der Online-Nutzer auch zum Online-Käufer. Es muss an dieser Stelle kaum erwähnt werden, dass beileibe nicht jeder Deutsche mit Internetzugang dem E-Commerce aufgeschlossen gegenübersteht. Jeweils mehr als 20 Millionen versierte Amazon- und eBay-Kunden vertrauen jedoch der digitalen Transaktion – und täglich werden es mehr.
Entsprechend hat sich auch das Angebot im Internet gewandelt. Herrschte Mitte der neunziger Jahre noch sogenannte Brochureware, also uninspirierte und wenig interaktive Produktinformation, im Web vor, so entwickelten sich die Webseiten schnell zu leistungsfähigen Gebilden komplexer Informationsarchitektur, die vielfältige Funktionalitäten bündelten und in Internetangeboten bis dato ungekannter Informationstiefe und -breite zusammenführten. Inzwischen wird mehr als lediglich interaktiv erschließbare Information geboten: Moderne Webseiten decken immer häufiger den kompletten Funktions-Vierklang des Internet ab.
Festzuhalten bleibt, dass die Schwellen, die ein Onlinenutzer bewusst oder unbewusst auf dem Weg zur alltäglichen und umfassenden Internetnutzung nimmt, durchaus prägend sind und somit nach und nach in den Alltag des Nutzers eingreifen. Ein entscheidender Faktor ist hierbei, dass die im Netz gesammelten Erfahrungen die individuellen Erwartungen an die Funktionsweise und Leistungsfähigkeit von Erwartungshaltung des Nutzers Web-Angeboten bedingen. Die sich aufbauende ist dabei angebots- und kanalübergeifend. Das heißt, die Erfahrungswerte, die ein Nutzer mit einer Transaktions-Website gesammelt hat, werden auf eine andere übertragen und bestimmte gelernte Funktionalitäten dort vorausgesetzt.
Onlinenutzung prägt Kundenerwartungen
Doch das ist noch nicht alles. Das Web strahlt zunehmend in den nicht-digitalen All-tag ab. So zeigt sich immer häufiger, dass Menschen Erfahrungen, die sie aufgrund der Nutzung des Webs als dem einen Kanal gesammelt haben, auf einen anderen Kanal, zum Beispiel der Filiale, projizieren – oftmals ungeachtet dessen spezifischen technischen und organisatorischen Limitationen. Dies lässt sich recht gut am Beispiel der Kontoführung illustrieren. Den deutschen Banken war es in den 90er-Jahren gelungen, den Kundenservice deutlich zu verbessern, ohne die oftmals nahezu restriktiven Filialöffnungszeiten auszudehnen. Dies gelang zum einen mittels der flächendeckenden Bereitstellung von Geldautomaten und Konto-Auszugsdruckern. Zum anderen durch die Einführung von Onlinebanking-Angeboten. Die digitale Verwaltung des eigenen Kontos im Rahmen eines Online-Self-Service-Konzeptes stellte eine deutliche Verbesserung des Kundenservice bei gleichzeitiger Prozess-kostensenkung dar. Der einstmals innovative Zusatznutzen des allzeitigen Kontozugriffs gehörte bald zu der vom Kunden erwarteten Grundausstattung der Geschäftsbeziehung. Onlinebanking wurde zum Alltagsprodukt. Über die Zeit prägte die Erfahrung der permanenten und unmittelbaren Zugriffs- und Transaktionsmöglichkeit die Erwartungshaltung des Bankkunden. Eine Erwartungs-haltung, die mit der Alltagserfahrung in der Filiale des Geldinstituts kollidiert. Ist es der Kunde gewohnt, seine Bankgeschäfte in Sekundenschnelle abzuwickeln, so muss er – wenn er ausnahmsweise die Filiale aufsucht – am Schalter häufig mehrere Minuten warten. Ein Umstand, der von manchem als ebensolcher empfunden wird. Erschwerend kommt hinzu, dass die Wartezeit im Gegensatz zum interaktiv steuerbaren Onlinebanking nicht kalkulierbar ist. Oftmals reicht ein einzelner Kunde mit einem diffizilen Geschäftsvorfall, um die kapitalistische Wartegemeinschaft an den Rand des emotionalen Ausnahmezustands zu bringen. Das Serviceprinzip der „Instant Gratification“, der sofortigen Wunscherfüllung, das über die Nutzung des Onlinekanals aufgebaut und verfestigt wurde, kann offline nicht aufrecht erhalten werden. Einige Geldinstitute reagieren bereits auf die neuen Ansprüche ihrer Serviceerlebnis in der Filiale kanalisieren, so netzaffinen Klientel, indem sie das dass einfache Transaktionen schnell bearbeitet werden können.
Der multioptionale Kunde
Die gestiegenen Erwartungen und Ansprüche der Kunden Individualisierung, Mobilität, äußern sich im gewachsenen Bedürfnis nach Selbstbestimmung. Gepaart Convenience und mit einer durch den Einsatz neuer Informations- und Kommunikationstechnologien gestiegenen Markttransparenz ergibt sich ein erhöhtes Anspruchsdenken an Produkte und Dienstleistungen, bei dem der Kunde in Abhängigkeit von seinem individuellen Lebensstil und seinen situativen Bedingungen spezifische Konsum- und Interaktionsmöglichkeiten erwartet. Preis-, convenience-, erlebnis- oder zweckorientierte Einkaufswege und -gelegenheiten werden dabei parallel genutzt. So erwarten Kunden heutzutage, dass sie frei wählen können, über welchen Kanal sie sich über ein Produkt informieren können, über welchen Kanal sie mit einem Unternehmen in Kontakt treten wollen und über welchen Kanal sie ein Produkt erwerben oder auch umtauschen möchten.
Fachleute sprechen von multioptionalen oder hybriden Kunden, die sich ihren individuellen Kanal-Mix für jede Kaufentscheidung und -ausführung neu zusammenstellen. Ihr Anteil wird zwischen 35 und 70 Prozent beziffert – Tendenz steigend [5].
Dies tritt besonders bei jenen Kunden zutage, die aktive Onlinenutzer sind. Laut einer Erhebung aus den USA kaufen 51 Prozent der Onlinenutzer ein Produkt offline, nachdem sie sich online darüber informiert haben. 40 Prozent bestellen das Produkt online, nachdem sie online die entsprechenden Informationen eingeholt haben. 9 Prozent kaufen das Produkt online, nachdem sie sich offline informiert haben [6]. Die Kunden betätigen sich also während des Kaufprozesses als „Channel Hopper“.
Internet befeuert den Prozesswettbewerb
Jede wahrgenommene Verbesserung der Kundenbeziehung steigert demnach die Erwartungshaltung des Kunden und erhöht die Anforderungen an das Unternehmen Anspruchsspirale entsteht. Die Beherrschung von ihr zu entsprechen. Eine Kommunikations- und Serviceprozessen in den angebotenen Ansprache-, Vertriebs- und Servicekanälen wird in den Augen des Kunden immer wichtiger. Das Management von Kundenprozessen wird zur Messlatte. Es entsteht ein neuartiger Prozesswettbewerb [7]. Überspitzt formuliert: nach der „Aldisierung“ folgt die Amazonisierung“. „
Denn modernes Marketing heißt, den Kunden mit Hilfe von digitalen Interaktions-kanälen und Dialogangeboten in Unternehmensabläufe einzubeziehen. Der Kunde wird sich jenen Unternehmen zuwenden, die ihre Abläufe kundenorientiert gestalten und ihm dadurch Mehrwert schaffen. Dieser kann sich materiell und in Kosten-/Nutzen-Dimensionen, wie zum Beispiel Zeitersparnis, manifestieren oder er kann immaterieller Natur sein, etwa in Form von Markenerlebnissen oder Markenidentifikation. Unabhängig von der Form des Mehrwertes, ist der vom wahrgenommene Prozessnutzen der erfolgsentscheidende Faktor. Kunden
Wie sehr wir hierbei in Deutschland noch am Anfang der Entwicklung stehen, sollte eine Frage verdeutlichen: Wann sind Sie zuletzt an der Kasse eines Geschäfts nach Ihrer E-Mail-Adresse gefragt worden? Noch nie? In den USA ist dies bereits praktizierter Multichannel-Standard. Hierzulande verteilt man lieber Rabattmarken, als den Kunden digital zu binden und zu incentivieren.
Literatur
[1] B. Van Eimeren, E. Oehmichen, C. Schröter: ARD-Online-Studie 1997. Onlinenutzung in Deutschland. Nutzung und Bewertung der Onlineangebote von Radio- und Fernsehsendern. - In: Media Perspektiven, Seite 548ff, 09/97.
[2] ARD/ZDF-Online-Studie 2006, http://www.br-online.de/br-intern/medienforschung/onlinenutzung/onlinestudie/
[3] Statistisches Bundesamt 2007.
[4] Sinus 2006.
[5] Klaus Eierhoff: Medienprodukte über alle Kanäle für mehr Kunden - die Click-and-Mortar-Strategie der Bertelsmann AG. - In: Marcus Schögel et al.: (Hrsg): Roadmap to E-Business. - S. 344-360, ISBN: 3478252806, Moderne Industrie, 2002.
[6] ebenda S. 347.
[7] Christian Bachem: Prozesswettbewerb als neue Dimension im Marketingorientierten (E-) Business. - In: G. Peters: Arbeitspapiere zur AfM-Tagung ‘E-Business’. – Eberswalde, FH Eberswalde, 2004.